05 | Deutscher Diabetikerbund e.V. - Landesverband Sachsen-Anhalt
Shownotes
Frank Burkhard Biester ist Vorsitzender im Deutschen Diabetikerbund – Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. In der Beratungsstelle in Merseburg haben wir mit ihm über Diabetes als Volkskrankheit gesprochen, Selbsthilfearbeit im Wandel, Paprika und soziale Herausforderungen in der Diabetes-Landschaft.
Hier sind Deine Shownotes für diese Episode.
Zu Gast
Frank Burkhard Biester erhält 2000 die Diagnose Diabetes, ist vorher bereit Bauchspeicheldrüsen-Patient und im sozialen Sektor engagiert. Noch im gleichen Jahr gründet er eine Selbsthilfegruppe. 2004 tritt in den Diabetikerbund Sachsen-Anhalt ein und konzentriert sich hier auf soziale Fragen. Seit 2018 lebt er im „Unruhestand“ – ist Landesvorsitzender des Diabetikerbundes Sachsen-Anhalt, Kreisvorsitzender des Sozialverbandes Burgenlandkreis, Mitglied im Verwaltungsrat des Medizinischen Dienstes und ehrenamtlicher Richter beim Sozialgericht.
Thema
Diabetes bezeichnet eine Gruppe verschiedener Stoffwechselerkrankungen, bei denen der Körper schnell überzuckert. Dreh- und Angelpunkt ist das körpereigene Hormon Insulin.
Insulin regt die Körperzellen dazu an, Zucker aus dem Blut zu verstoffwechseln und verhindert dadurch eine Überzuckerung des Körpers. Die Folgen einer – vor allem dauerhaften – Überzuckerung, sind mannigfaltig. Vom Schwindelgefühl und Müdigkeit über diverse Schäden am Herz-Kreislauf-System bis hin zu Schlimmerem ist dabei alles möglich.
Das Hormon Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet. Bei Diabetes-Erkrankungen produziert die Bauchspeicheldrüse aber gar kein oder zu wenig Insulin. Womöglich hat der Körper auch eine Insulinresistenz entwickelt. In diesem Fall spricht der Körper auf das vorhandene Insulin weniger an.
Der Begriff »Diabetes Mellitus« kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet etwa »honigsüßer Durchfluss«. Schon in der Antike stellten Gelehrte fest, dass Betroffene übermäßigen Durst entwickelten und ihr Urin ‚honigsüß‘ roch und schmeckte.
Die Bundesregierung listet Diabtes zu den, Zitat, »großen Volkskrankheiten«. In Deutschland sind ca. 7,2 Prozent der Menschen zwischen 18 und 79 Jahren an Diabetes erkrankt. (Quellen: Bundesgesundheitsministerium.de; DiabInfo.de; GFO-Kliniken-Rhein-Berg.de)
Deutscher Diabetikerbund – Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.
Der Deutsche Diabetikerbund – Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. wurde 1991 gegründet. Die Gründungsgeschichte reicht bis ins Jahr 1931 zurück. Aktuell engagieren sich 270 Mitglieder in 17 lokalen Selbsthilfegruppen. Der Diabetikerbund setzt sich auf Bundesebene für die Interessen von Betroffenen ein, mit Schwerpunkt auf die Patientenversorgung. (Stand Mai 2022; Informationen bereitgestellt durch Frank Burkhard Biester; Anm. d. Red.)
Den passenden Kontakt zur jeweiligen Regionalgruppe findest Du direkt auf der Website: www.diabetikerbundsa.de
Anlaufstellen für Diabetes-Betroffene
im mitteldeutschen Raum (Auszug):
Merseburg: Diabetes- & Hausarztzentrum Merseburg Süd
Magdeburg: Klinikum Magdeburg
bundesweit:
Deutsche Diabetes-Gesellschaft
Diabetes-Typen
In dieser Episode sprechen wir viel über die verschiedenen Diabetes-Typen. Das Bundesgesundheitsministerium erfasst offiziell folgende Typen des Diabetes Mellitus, im Volksmund Zuckerkrankheit:
Typ-I-Diabetes: Der Körper produziert originär kein eigenes Insulin. Grund kann unter anderem ein totales Versagen der Bauchspeicheldrüse sein. Aktuell nicht heilbar. In Deutschland sind zw. 5 und 10 Prozent der Diabetes-Mellitus-Patientinnen und -patienten betroffen.
Typ-II-Diabetes: Der Körper produziert zu wenig Insulin. Gründe sind Insulinresistenz oder auch eine Erschöpfung der Bauchspeicheldrüse, durch andauernde Überproduktion (Übergewicht, Ernährung etc.). In Deutschland sind zw. 90 und 95 Prozent der Diabetes-Mellitus-Patientinnen und -patienten betroffen.
Daneben gibt es zahlreiche anderen Gründe für Diabetes-Erkrankungen:
Typ-III-Diabetes bezeichnet alle Ursachen, die nicht auf Insulinmangel oder Insulinwirkverlust zurückzuführen sind. Dazu zählen unter anderem genetische Defekte, Schilddrüsenerkrankungen oder auch eine chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse.
(Quellen: Bundesgesundheitsministerium.de; DiabetesDE.org)
Insulinpumpe
Insulinpumpen sind in der Regel dauerhaft am Körper angebracht. Die Pumpe versorgt den Körper entweder automatisch oder auf Knopfdruck mit der richtigen Menge Insulin. Moderne Pumpensysteme können über Schnittstellen mit anderen Geräten, etwa Blutzuckermessgeräte, Smartphones etc. verbunden und gesteuert werden. Stand 2020 nutzen knapp über 100.000 Menschen in Deutschland eine Insulinpumpe. Insulinpumpe sind auch als CSII bekannt. Die Abkürzung steht für Continuous Subcutaneous Insulin Infusion – kontinuierliche subkutane Insulin-Infusion. (Quelle: Pumpencafe.de; Diabetes-Technologie.de)
Begriffe erklärt: Langerhans-Inseln / Inselorgan
An einer Stelle spricht Frank Biester von den „Langerhans’schen Inseln“. Die „Langerhans-Inseln“ bezeichnen eine Ansammlung hormonproduzierender Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Dieses sog. „Inselorgan“ produziert u.a. die Hormone Insulin, Glukagon und Somatostatin. Eine Beschädigung des Inselorgans zieht in der Regel eine Diabetes-Erkrankung nach sich. (Quelle: Gesundheit.gv.at)
Versorgungsfrage: Ohne Krankenversicherung?
Wir reden auch über finanzielle Problemlagen von Diabetes-Patientinnen und -Patienten. Dabei erwähnt Frank Biester, dass Menschen nicht mehr von der privaten (PKV) in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wechseln können und deshalb unter Umständen Versorgungslücken entstehen. Tatsächlich ist ein Wechsel von PKV in die GKV an Bedingungen geknüpft, etwa ein Höchstalter von 55 Jahren und / oder gewisse Einkommensgrenzen.
Die Verbraucherzentrale fasst die Thematik umfassend zusammen. Folgende Beiträge dazu sind erhellend:
„So wechseln Sie von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung“
„Nicht krankenversichert – was tun?“
Weltdiabetestag / World Diabetes Day
14. November (jährlich): Der Weltdiabetestag / World Diabetes Day soll vor allem für die Folgen von Diabetes sensibilisieren. Der Aktionstag wurde 1991 ins Leben gerufen. Das Datum basiert auf dem Geburtstag von Frederick G. Banting, der 1921 das Hormon Insulin entdeckte. Das internationale Symbol für Diabetes und den entsprechenden Aktionstag ist der Blaue Kreis. Seit 2007 ist der Weltdiabetestag auch offizieller Aktionstag der Vereinten Nationen. Jährlich finden um diesen Tag herum verschiedene Veranstaltung statt. (Quelle: Weltdiabetestag.de)
Kontakt
Für die Bereitstellung der Räumlichkeiten in Merseburg danken wir herzlich dem Deutschen Diabetikerbund Landesverband – Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.
Du hast Fragen, Anregungen und konstruktive Kritik zum Podcast und dieser Episode? Dann schreib uns einfach eine Mail: ausgesprochen-menschlich@san.aok.de
Mehr Informationen zu Projekten, Angeboten und Förderung rund ums Thema Selbsthilfe bei der AOK Sachsen-Anhalt, findest Du unter www.deine-Gesundheitswelt.de/Selbsthilfe
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Transkript
Episode 05
Deutscher Diabetikerbund - Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.
Moderation
Robert Gryczke
Zu Gast
Frank Burkhard Biester (1. Landesvorsitzender)
Intro
Robert Gryczke: Wir müssen mal reden. Über ein Leben mit chronischer Erkrankung; mit Behinderung – und über Selbsthilfe. „ausgesprochen menschlich - Selbsthilfe auf Sendung“ Ein Podcast der AOK Sachsen-Anhalt.
Robert Gryczke:
Robert Gryczke: Und damit herzlich willkommen zur fünften Episode „ausgesprochen menschlich – Selbsthilfe auf Sendung“. Mein Name ist Robert Gryczke. Und in jeder Episode rede ich mit Menschen in der Selbsthilfearbeit über Selbsthilfearbeit, Selbsthilfe und alles, was uns sonst noch unter den Nägeln brennt. Wie auch sonst bekommt ihr die weiterführenden Informationen, Zusätzliches, Weiterführendes in den Shownotes. Schaut da gerne einmal hinein. Da findet ihr auch Kontaktmöglichkeiten und könnt uns wertvolles Feedback dalassen. In der heutigen Episode geht es um Diabetes. Und wie immer habe ich euch eine kleine Einordnung mitgebracht:
Robert Gryczke: Diabetes bezeichnet eine Gruppe verschiedener Stoffwechselerkrankungen,
Robert Gryczke: bei denen der Körper schnell überzuckert. Dreh- und Angelpunkt ist das körpereigene Hormon Insulin. Insulin regt die Körperzellen dazu an, Zucker aus dem Blut zu verstoffwechseln und verhindert dadurch eine Überzuckerung des Körpers. Die Folgen einer – vor allem dauerhaften – Überzuckerung, sind mannigfaltig. Vom Schwindelgefühl und Müdigkeit über diverse Schäden am Herz-Kreislauf-System bis hin zu Schlimmerem ist dabei alles möglich. Das Hormon Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet. Bei Diabetes-Erkrankungen produziert die Bauchspeicheldrüse aber gar kein oder zu wenig Insulin. Womöglich hat der Körper auch eine Insulinresistenz entwickelt. In diesem Fall spricht der Körper auf das vorhandene Insulin weniger an. Der Begriff »Diabetes Mellitus« kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet etwa »honigsüßer Durchfluss«. Schon in der Antike stellten Gelehrte fest, dass Betroffene übermäßigen Durst entwickelten und ihr Urin honigsüß roch und schmeckte. Die Bundesregierung listet Diabetes zu den, Zitat, »großen Volkskrankheiten«. In Deutschland sind circa 7,2 Prozent der Menschen zwischen 18 und 79 Jahren an Diabetes erkrankt.
Robert Gryczke: Und damit kommen wir zum heutigen Gast. Ich begrüße Frank Burkhard Biester bei mir, der im Jahr 2000 die Diagnose »Diabetes Mellitus« bekommt, nachdem bereits eine schwerste Entzündung der Bauchspeicheldrüse sein Leben auf den Kopf gestellt hat. Im gleichen Jahr beginnt er mit dem Aufbau einer Diabetes-Selbsthilfegruppe in Gotha und ist Ansprechpartner für Betroffene von Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse, etwa mit Pankreas-Karzinom. 2004 wird er Mitglied im Diabetikerbund Sachsen-Anhalt und legt als Vorstandsmitglied seinen Fokus auf soziale Fragen. Parallel dazu arbeitet er als Sozialberater beim Sozialverband Mitteldeutschland, dessen Geschäftsstelle Thüringen er bis 2017 leitet. Ab 2018 begibt er sich in den, Zitat, »Unruhestand«; wird Landesvorsitzender des Diabetikerbundes Sachsen-Anhalt; außerdem Kreisvorsitzender des Sozialverbandes Burgenlandkreis; ist Mitglied im Verwaltungsrat des Medizinischen Dienstes Sachsen-Anhalt UND ehrenamtlicher Richter beim Sozialgericht in Nordhausen. Herzlich willkommen, Frank. Schön, dass du da bist.
Frank Burkhard Biester: (lächelt, nickt)
Robert: So. Jetzt hatten wir viele Anläufe. Das hört der Hörer zum Glück am Ende nicht, aber wir wissen es ja. Bevor ich mit meiner vorbereiteten Moderation anfange, Frank, kurz noch eine Frage: Wo sind wir gerade? Hier ist nämlich, bevor wir aufgezeichnet haben, eine Frau hereingekommen, hatte eine Frage. Das lief so nebenbei, aber das hat mich neugierig gemacht. Erzähle einmal.
Frank: Ja. Es ist im Moment so, dass diese Geschäftsstelle nicht ständig besetzt ist. Wir sind hier am Aufbau durch Selbsthilfeförderung, dass wir hier die Technik aufbauen. Es ist zukünftig auch geplant, dass hier eine Arbeitskraft hereinkommt, die natürlich auch aus dem Diabetesbereich kommt, dass sie eine entsprechende Beratung machen kann. Wenn jemand hier ist – Frau Kirchhof ist unsere Schatzmeisterin hier im Landesverband, wohnt in Merseburg und holt auch Post, macht auch hier oftmals etwas – und wenn da jemand vorbeikommt, dann kommt derjenige herein, weil er eine Frage hat. Anders ist das jetzt bei mir, ich komme aus Teuchern. Das ist natürlich auch ein Kostenfaktor, wenn ich da jedes Mal nach Merseburg fahren müsste. Und bei mir sind viele Diabetiker, die sozialrechtliche Probleme haben, also Schwerbehinderung oder so etwas.
Robert: Und was machst du dann konkret?
Frank: Ich mache die Beratung und mache auch die Vertretung.
Robert: Was für Fragen bringen die Leute dann so mit?
Frank: Es geht um die Anerkennung des Grades der Behinderung, es geht um Renten, es geht um Pflegeangelegenheiten und so weiter.
Robert: Frank, ich bin neugierig. Ich habe bei der Recherche festgestellt, dass auf der Seite des Bundesministeriums unter dem Stichpunkt »Diabetes« Typ 1 und Typ 2 gelistet wird. Und in dem schriftlichen Austausch vorher hast du gesagt, dass du Diabetes Typ 3c hast – das ist konkret die Erkrankung des exokrinen Pankreas – und dass du Diabetes Mellitus hast.
Frank: Das ist ein Diabetes Typ 3c. Es gibt nicht nur zwei Typen. Das ist zwar hier allgemein bekannt, aber es gibt noch viele, viele andere Typen. Da gibt es den 3c. Der Unterschied zum normalen Diabetes ist, dass aufgrund der Operation, der Resektion der Bauchspeicheldrüse – das kann eine vollständige Resektion sein, das kann eine Teilresektion sein – werden auch die Langerhansschen Inseln, die ja verantwortlich sind für die Insulinproduktion, mit weggenommen. Das heißt, es kommt nicht mehr so viel Insulin vor. Und das Problem des pankreopriven Diabetes – das ist dieser 3c – ist im Prinzip, dass kein Glukagon hergestellt wird. Das Glukagon ist ein Gegenregulator bei Unterzuckerung. Und der Typ 3c darf gar nicht so scharf eingestellt werden, wie es immer bei den Ärzten so ist, weil, ich sage einmal, ein Wert von fünf Millimol ist für einen normalen Diabetiker ein hervorragender Wert. Der kann aber bei uns schon dazu führen, dass man mit einem Schlag abrauscht.
Robert: Lass uns, bevor wir da weitermachen, noch einmal ganz kurz die Typen wenigstens grob einordnen für die Hörer und die Hörerinnen. Typ 1 habe ich mir einmal notiert: Der Körper produziert kein eigenes Insulin.
Frank: Ist dadurch auch SOFORT insulinpflichtig. Und es gibt Babys, gleich nach der Geburt, wo das festgestellt wird, die dann von vorneherein schon mit Insulin versorgt werden.
Robert: Oder für mich auch ein bisschen greifbarer: Das ist ein Diabetes-Typ, für den man selbst de facto nichts kann. Also daran kann man mit seinem Lebenswandel nichts rütteln.
Frank: Richtig.
Robert: Typ 2, an dem in Deutschland 95 Prozent der Diabetespatientinnen und -Patienten leiden, das ist ein bisschen mannigfaltiger. Da habe ich mir notiert, dass der Körper entweder durch eine jahrelange Überproduktion im Prinzip an einer Erschöpfung leidet oder eine Insulinresistenz entwickelt hat. Aber vielleicht kannst du uns den Typ 2 noch einmal besser einordnen.
Frank: Es gibt auch die genetische Variante. Das ist auch ein Problem in der Zukunft. 15 Prozent der Typ 2-Diabetiker sind genetisch bedingt, also die Eltern, die Großeltern, da hat irgendjemand Diabetes gehabt.
Robert: Wie bei dir in der Familie. Du hast vorher geschrieben ...
Frank: Ja, die Oma hat einen Typ 2 gehabt. Und das war ja damals so: Die konnten ja noch nicht alleine messen. Die sind alle vier Wochen zum Zucker-Doktor gegangen. Drei Tage zuvor haben sie schon das große Flattern bekommen, wie man so schön sagt, weil der Zucker-Doktor natürlich geschimpft hat, wenn der Zucker zu hoch ist. Also haben sie Sauerkrautsaft getrunken, damit der Zucker gesenkt worden ist und haben sich damit natürlich selbst veralbert. Meiner Oma haben sie damals Mitte der Siebzigerjahre das linke Bein abgenommen. Das sind Folgen des Diabetes gewesen.
Robert: Also auch ganz bitter. Ich habe mich im Vorfeld natürlich auch in meinem Sozialkreis umgehört: Wo gibt es denn Menschen, die mit Diabetes zu kämpfen haben? Und einer hat mir erzählt, dass seine Großeltern beide an Diabetes gelitten haben, und sprach dann – der Begriff war ziemlich bitter – vom »Zuckerbein«, das, was du gerade skizziert hast. Ich habe gedacht, dieser Begriff, der klingt nicht schön, aber vor allem wirkt er unnötig verharmlosend, finde ich. Zuckerbein, ehrlich gesagt, ich fand, das klingt zu niedlich, wenn man weiß, was dahintersteckt.
Frank: Das sind ja die Folgeerkrankungen des Diabetes. Mit einem gut eingestellten Diabetes kannst du natürlich den Folgeerkrankungen entgegenwirken. Folgeerkrankungen sind Augenerkrankungen, Nierenerkrankungen, Gefäßerkrankungen, Neuropathien und natürlich das diabetische Fußsyndrom. In der Richtung gibt es massive Probleme, zumal es zurzeit ja auch an Fachärzten mangelt. Das hängt auch damit zusammen: Die alten Diabetologen sterben aus und die Diabetologie ist nach wie vor nur eine Qualifikation und kein eigenes Studienfach, obwohl das schon seit Jahren nicht nur durch den Diabetikerbund, sondern auch die Deutsche Diabetes Gesellschaft gefordert wird. Und deswegen kommen hier keine Fachärzte hinein. Das nächste Problem ist, dass die Zulassungsverordnung total veraltet ist. Du hast das Prinzip – so ist die Zulassungsverordnung – soundso viele Einwohner: ein Arzt. Jetzt sind aber im Laufe der Jahre die Menschen veraltet. Das heißt, die brauchen auch mehr ärztliche Behandlung. Und deswegen bekommst du keine Termine mehr, die Hausärzte vergeben keine. Du kommst gar nicht mehr heran an einen Hausarzt, auch an Fachärzte nicht. Die psychischen Erkrankungen haben massiv zugenommen. Die Psyche spielt auch beim Diabetes eine große Rolle. Das heißt, sie warten teilweise ein Dreivierteljahr, um hier einen Arzttermin zu bekommen. Das ist regionsunterschiedlich, das muss man zugeben. Aber im Burgenlandkreis ist es eine Katastrophe.
Robert: Wenn jemand zu euch in die Selbsthilfegruppen kommt und sagt: Ich habe gerade die Diagnose Diabetes Mellitus Typ 2 bekommen – was ist das Erste, was ihr mit ihm macht?
Frank: Die haben die Diagnose bekommen und wollen sich dann austauschen. Zu welchen Ärzten geht ihr? Es ist nach wir vor so, dass viele Diabetiker zum Hausarzt gehen. Und der Hausarzt ist hierfür nicht prädestiniert. Das muss wirklich ein Diabetologe sein. Das hängt schon mit der Verordnung zusammen, zum Beispiel Blutzuckermessstreifen und so weiter. Der Hausarzt ist budgetiert. Der FACHARZT kann ganz anders verschreiben. Zum Beispiel kommen viele zur Bustour, denn da gibt es die kostenlosen Blutzuckermessungen. Der insulinpflichtige Diabetiker bekommt seine Messstreifen, aber ein oral therapierbarer bekommt KEINE Messstreifen. Der geht alle Vierteljahre zum Arzt. Dort wird der Blutzuckertest gemacht und dann wird der HbA1c-Wert festgestellt und dann wird gesagt: gut. Der HbA1c-Wert ist aber nur ein Mittelwert über drei Monate, er sagt nichts über den Blutzuckerverlauf über das Vierteljahr aus. Wenn ich mehrere Unterzuckerungen und mehrere Überzuckerungen habe, habe ich natürlich auch einen guten HbA1c-Wert.
Robert: Für die Leute, die das nicht kennen: Was ist der HbA1c-Wert?
Frank: Das nennt sich der Langzeitzuckerwert. Und das Problem ist hierbei, dass eine Packung Blutzuckermessstreifen durchschnittlich 30, 35 Euro kostet. Wenn jemand eine niedrige Rente hat, im Hartz-IV-Bereich oder sonst etwas ist, ist das für den natürlich viel Geld. Bis jetzt ist es so: Blutzuckermessstreifen für oral therapierbare Diabetiker werden von den Krankenkassen noch nicht bezahlt. Das ist vom GbA, dem Gemeinsamen Bundesausschuss, noch nicht beschlossen worden. Die Empfehlung wäre natürlich, ein oral therapierbarer Diabetiker braucht letztendlich nicht jeden Tag zu messen, aber er kann in der Woche mehrmals messen. In dieser Packung sind 50 Messstreifen, sodass er auch selbst einmal kontrollieren kann: Wie ist mein Blutzucker? Wie reagiert er nach dem Essen? Wie ist er früh, nüchtern zum Beispiel? Damit kann er natürlich seine Ernährung umstellen.
Robert: Wir würden noch einmal kurz bei den Typen bleiben. Jetzt haben wir erschöpfend Typ 2 erklärt. Und du bist ein Typ 3-Patient. Was ist für dich als Betroffener der größte Unterschied zwischen deinem Typ und Typ 2, Typ 1?
Frank: Ganz einfach, die hohen Zuckerwerte, weil ich immer höher eingestellt bin als der normale Diabetiker. Das ist schon Wahnsinn. Und man muss noch dazu sagen: Es gibt ja nicht nur die drei. Es gibt auch den Schwangerschaftsdiabetes. Beim Schwangerschaftsdiabetes ist es zum Beispiel so, dass viele Frauen nach der Schwangerschaft den Diabetes nicht mehr haben, aber nach zehn Jahren entwickelt sich der Diabetes kurioserweise.
Frank: Trenner
Frank:
Robert: Wir waren gerade bei Diabetes Typ 2. Jetzt noch einmal ganz kurz ein Hinweis für die Hörerinnen und Hörer. Wir sind heute – auch einmal ganz angenehm – nicht alleine. Bei uns zu Gast ist neben Frank Biester auch Christa Kirchhof. Das heißt, wenn das Gespräch für euch auditiv irgendwo nach hinten in die Räumlichkeit hineingeht, dann nicht wundern. Wir sind hier heute zu dritt, ihr hört aber zwei Personen. So, jetzt können wir weitermachen. Also wie das medizinisch abläuft, finde ich auch interessant, aber ich fand bei meiner Recherche vor allem spannend, dass der Typ 3 zum einen nicht offiziell als medizinischer Terminus anerkannt und etabliert ist und dass er zum Beispiel – das hatte ich im Vorgespräch ganz kurz gesagt – beim Gesundheitsministerium gar nicht gelistet wird, was mich in die Frage warf: Fühlt man sich denn als Typ 3-Patient (zögert)...
Frank: ...ausgeschlossen?
Robert: Ja, fühlt man sich ausgeschlossen?
Frank: Im sozialrechtlichen Bereich heißt es ja nur »Diabetes«, der anerkannt wird. Die einzelnen Typen werden hier nicht anerkannt. Es geht auch hier immer um die Folgen, die man durch einen Diabetes hat. Das kann schwer einstellbar sein, was natürlich höher berücksichtigt werden muss, als jemand, wo der Blutzuckerverlauf wirklich kontinuierlich gleichbleibend ist. Aber es gibt ja, wie gesagt, Typen – wie bei Frau Kirchhof – die sehr labil sind. Und dann hast du auch die entsprechenden Folgeerkrankungen, die dann zusätzlich noch anerkannt werden müssen. Ich muss dazu sagen, ich bin Insulinpumpenträger. Bei mir ist das Messgerät gleichzeitig im Prinzip die Fernbedienung für die Pumpe.
Robert: Solche Sachen packen wir euch in die Shownotes. Dann habt ihr dazu auch ein Bild und eine Beschreibung, damit ihr solche Sachen besser einordnen könnt. Schaut da gerne einmal hinein. Ich springe jetzt gerade einmal in meiner Moderation, aber weil es gerade gut passt. Du hast geschrieben, was noch interessant für den Podcast wäre, Zitat: »Wir haben kein Gesundheitssystem, sondern ein Krankheitssystem.« Pass auf, ich gebe dir dazu noch ein Zitat und dann können wir darüber kurz reden. Aus einem Artikel: In den USA kann es schon vorkommen, dass ein krankenversicherter Mensch mit Diabetes trotzdem bis zu tausend Dollar im Monat für sein Insulin bezahlt. Das kommt hier in Deutschland, glaube ich, nicht vor.
Frank: Das kommt nicht vor, das ist richtig. Aber wir haben auch viele, die im Prinzip gar nicht sozialversichert sind in Deutschland, aus welchen Gründen auch immer. Die vorher vielleicht in einer privaten Krankenversicherung sind, können das nicht mehr bezahlen, kommen aber NICHT mehr in die gesetzliche Krankenversicherung. Wir haben bei uns jetzt einige Fälle, die dann wirklich das Geld sparen, um vierteljährlich einmal zum Arzt zu gehen, um den bezahlen zu können. Das sind solche Sachen, die vielleicht gar nicht allgemein bekannt sind. Aber gerade Selbstständige, die vorher in der privaten Krankenversicherung waren, haben dann ihre Rente und können dann im Prinzip die hohen Beiträge der privaten Krankenversicherung nicht mehr bezahlen und kommen aber nicht mehr in die gesetzliche Krankenversicherung hinein. Aber das muss von der politischen Seite geregelt werden.
Robert: Da würden wir euch zu diesem Thema ein paar Artikel zum Nachlesen in die Shownotes packen. Was wünschst du dir denn generell für die Versorgung von Diabetikerinnen und Diabetikern in Deutschland? Was wäre so eine Sache, bei der du sagst: Ja, wenn ich mir etwas aussuchen könnte, das wäre so ein Punkt, der dringend nötig wäre?
Frank: Dringend nötig wäre auf jeden Fall, dass die Diabetologie definitiv ein eigenständiges Studienfach ist, damit auch aberkannt – das ist das A und O – und eine flächendeckende Versorgung von Diabetologen. Denn wie ich schon gesagt habe, es gibt viele Diabetologen, die veraltet sind, die irgendwann aufhören, und es gibt keinen Nachfolger.
Robert: Du steckst in der Materie und du hast konkrete Anliegen. Aber hat denn der Deutsche Diabetikerbund Sachsen-Anhalt konkret irgendwelche Ziele? Warum ich frage, darauf komme ich gleich. Wir zäumen gerade das Pferd von hinten auf, aber ich versuche, mich trotzdem an der Moderation entlang zu hangeln. Was für konkrete Ziele habt ihr denn als Deutscher Diabetikerbund Sachsen-Anhalt oder auch auf Landesebene?
Frank: Auf jeden Fall, dass wir Mitgliederzuwachs haben, vor allen Dingen jüngere Mitglieder. Viele jüngere Mitglieder gehen gar nicht in solche Verbände, die schauen bei Herrn Google – und Herr Google weiß auch nicht alles – aber sie verlassen sich darauf. Und hier müssen Dinge eingebracht werden, um jetzt in Form von Podcasts, ob das Youtube-Kanäle, Facebook die jungen Leute anzusprechen. Die jungen Leute gehen nicht in die Selbsthilfegruppen. Diese Zeit ist aus meiner Sicht überholt. Man darf die alten Diabetiker natürlich nicht vergessen, die brauchen ihre Betreuung auch. Aber dieser Übergang muss in irgendeiner Form geschaffen werden. Das betrifft nicht nur den Diabetikerbund, das betrifft im Prinzip die ganze Selbsthilfe.
Robert: Also Selbsthilfe einfach weiter und neu denken?
Frank: Richtig. Es muss neu gedacht werden. Deswegen finde ich diesen Podcast, dieses System, gut. Das werden sich nicht die achtzigjährigen Diabetiker anhören. Das glaube ich nicht.
Robert: (schmunzelt) Sollten welche dran sein, liebe Grüße auch an euch, na klar.
Frank: Aber im Allgemeinen werden das erst einmal jüngere Leute sein.
Robert: Ich frage aus folgendem Grund. Ich habe auf eurer Website – die natürlich auch verlinkt wird, ihr wisst mittlerweile, wo – Folgendes gefunden, Zitat: »Diese Selbsthilfegruppen sind allen Interessierten offen. Gleichwohl ist die Mitgliedschaft anzustreben, weil der Deutsche Diabetikerbund auch in der zahlenmäßigen Mitgliederstärke die Interessen der Vertretung für die Interessen der betroffenen chronisch kranken Mitbürgerinnen und Mitbürger gestärkter wahrnehmen kann. Gerade bei den Sparideen in vielen Bereichen, die zulasten der Betroffenen gehen, ist dieses Engagement wichtig.« Seit wir den Podcast machen und ich mich mit den Selbsthilfegruppen auseinandersetze, ist es das erste Mal, dass, sagen wir einmal, schon so appellartig und sehr aktiv dazu aufgerufen wird, zum Beispiel dem Diabetikerbund als Mitglied beizutreten. Was habt ihr davon? Also was habt ihr am Ende von einer höheren Mitgliederzahl?
Frank: Einfach deshalb: Je mehr Mitglieder du als Verband hast, hast du natürlich auch ganz andere politische Einflüsse. Eine einzelne Person hat keinen politischen Einfluss. Wenn du jetzt aber einen Verband hast, ob das jetzt auf Landesebene ist oder ein Bundesverband auf Bundesebene, dann hast du natürlich auch eine politische Kraft, um bestimmte Dinge durchzusetzen. Der Einzelne kann das nicht. Und deswegen ist eine Mitgliedschaft in den Verbänden auch dringend notwendig.
Robert: Also ich kann es mir tatsächlich auf Verwaltungs- und politischer Ebene einfach gerade nicht vorstellen, ob es einen Unterschied macht für die Entscheidungsträgerinnen und -Träger, ob man jetzt einen Verband hat, der fünfhundert Mitglieder hat und einen Antrag stellt et cetera, und einen Verband hat, der – ich spinne jetzt einmal – tausend Mitglieder hat. Also macht das tatsächlich einen greifbaren Unterschied?
Frank: Das macht einen greifbaren Unterschied, auf jeden Fall. Gehen wir einmal in den Vergleich: Der Sozialverband VdK. Die Geschichte ist ja von beiden Verbänden sehr eng zusammen. Die sind ja einmal ein Verband gewesen. Es machen beide Verbände das Gleiche. Wenn die jetzt wieder zusammenkommen würden, dann wären wir dreieinhalb Millionen Mitglieder. Und das ist natürlich eine politische Kraft, um bestimmte Gesetze durchzusetzen. Und hier in der Diabeteslandschaft ist es ja genauso. Diese zerklüftete Diabeteslandschaft ist ja einmal alles aus dem Diabetikerbund, der ja siebzig Jahre alt ist, herausgekommen, die DDF, Diabetes Föderation, die Diabetes-Hilfe und so weiter. Das ist alles aus dem Diabetikerbund herausgekommen. Und hier ist es doch sinnvoll, einen Verband zu machen, damit wieder eine entsprechende politische Kraft da ist. Hier geht es nur um Postenhascherei. Jeder möchte im Prinzip einen Posten haben, aber die Diabetiker selbst haben davon nichts.
Robert: Das war jetzt auch so das, was mir in den Kopf gekommen ist, als du gesagt hast, das Krankenkassenmodell in Schweden zum Beispiel.
Frank: Genau.
Robert: Das gilt aber auch für die Verbandslandschaft in Deutschland.
Frank: Richtig, genau.
Robert: Also wenn man Synergien bildet und statt zehn Verbänden einfach einen Stärkeren hätte theoretisch.
Frank: Und das hat auch etwas mit Fördermaßnahmen zu tun. Gehe einmal davon aus, wir haben jetzt vier Diabetesverbände in Deutschland. Die beantragen auch über die BAG entsprechende Fördermaßnahmen, Fördergelder und so weiter. Dann geht das nach den Mitgliederzahlen. DDB, jeder hat andere Mitgliederzahlen, und die bekommen im Prinzip alle ihr Geld. Es wäre doch sinnvoller, als ein Verband eine große Summe zu bekommen, weil du ganz andere Sachen veranstalten kannst.
Robert: Ja, jetzt haben wir oft über den Diabetikerbund Sachsen-Anhalt geredet. Dann wäre es vielleicht gut, wenn wir ihn dann jetzt auch vorstellen. Darum habe ich gesagt, wir zäumen das Pferd von hinten auf. Das sollte eigentlich früher passieren, aber das Abschweifen war so schön. Deswegen hänge ich es einmal hintendran. Stelle einmal den Diabetikerbund, Landesverband Sachsen-Anhalt, mit eigenen Worten vor.
Frank: Ja, der Landesverband Sachsen-Anhalt hat sich vor dreißig Jahren gegründet, damals in Magdeburg. Zwischenzeitlich ist die Landesgeschäftsstelle nach Quedlinburg umgezogen und seit 2018 sind wir jetzt hier in Merseburg. Das hat auch den Grund gehabt, weil der ganze Vorstand hier in diesem Bereich wohnt. Christa wohnt hier in Merseburg, ich Teuchern, Frank Schröder, das ist der Stellvertreter, ist in Naumburg. Dann wäre Quedlinburg Blödsinn gewesen, weil da keiner ist und jedes Mal jemand hätte hinfahren müssen. Deswegen haben wir das hier auch zentral genommen, weil es auch eine gute Gelegenheit ist. Es ist natürlich keine befahrene Straße oder ein Zentrum, wo auch viele Leute herumlaufen. Das ist aber auch eine Kostenfrage. Es muss ja alles irgendwo finanziert werden.
Robert: Der Diabetikerbund hat wie viele – 270 – Mitglieder in 17 regionalen Selbsthilfegruppen?
Frank: Ja.
Robert: Als ich mir die angeguckt habe – ich bin ja manchmal so ein bisschen neugierig – dann musst du mir kurz sagen, woran Folgendes liegt: Ihr habt Gruppennamen wie »Magdeburg-Berufstätige« und »Magdeburg-Senioren 4«. Und bei meiner Suche habe ich Magdeburg-Senioren 1 bis 3 nicht gefunden.
Frank: Es hat früher auch 1, 2, 3, 4 gegeben, aber die haben sich dann aufgelöst, weil zu alt geworden, und dann haben sie sich in die SAG Magdeburg 4 integriert. Genauso ist das in Schönebeck. Schönebeck ist ja auch 1, 2 und 3 und da gibt es nur noch eine Selbsthilfegruppe.
Robert: Die Nummerierung bleibt dann fix und wird dann nicht zurückgestellt.
Frank: Nein, das wird dann nicht zurückgestellt.
Robert: (schmunzelt) Darüber bin ich mit meiner naiven Fantasie gestolpert. Was ist dein Aufgabenkatalog im Landesverband? Leute, die in Selbsthilfegruppen arbeiten, haben wir ja tendenziell häufiger im Podcast zu Gast. Aber was machst du auf Landesebene? Was machst du im Landesverband? Was ist da dein Aufgabenkatalog, den du eifrig abarbeiten musst?
Frank: Ja, zum Beispiel Vorträge in Selbsthilfegruppen, gerade, was jetzt Pflegeversicherung anbetrifft, Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen, Schwerbehinderung natürlich. Das ist das, was die Leute interessiert. Und ansonsten hast du mehr administrative Aufgaben als Vorsitzender. Die Hauptarbeit, das muss ich wirklich sagen, hat Christa, weil sie einmal vor Ort ist und die Finanzen als Schatzmeisterin hat und auch die Mitgliederbetreuung, weil das auch zusammenpasst. Für mich ist auch die Transparenz ganz, ganz wichtig. Das war in den letzten Jahren nicht ganz so gewesen, das war vor meiner Zeit. Transparenz ist ganz wichtig, dass wir auch untereinander immer wieder informiert sind: Was passiert? Was kommt an Post zum Beispiel? Müssen wir bestimmte Dinge neu ausrichten? Dafür reden wir auch miteinander.
Robert: Gib uns doch einmal ein praktisches Beispiel. Also worin unterscheidet sich zum Beispiel – du hast ja in Gotha eine Selbsthilfegruppe mit aufgebaut – dein Tag in der Selbsthilfearbeit zwischen Landesverband und Selbsthilfegruppe? Was würdest du resümieren? Was ist der größte Unterschied?
Frank: Der größte Unterschied ist, wenn du Landesvorsitzender bist, hast du ja nicht eine eigene Gruppe. Die rufen natürlich auch bei mir an. Oder Christa gibt den Leuten die Telefonnummer, obwohl die im Internet steht. Im Alter sind es ja meistens die Probleme mit der Pflegeversicherung und so weiter. Dann habe ich entsprechende Broschüren, wir können darüber reden, sie werden entsprechend beraten, auch am Telefon. Das ist meine Aufgabe hier als Landesvorsitzender. Dann die Vertretung beim Bundesverband, wenn jetzt BV-Sitzungen sind. Bei erweiterten BV-Sitzungen ist Christa auch immer mit dabei. Oder wenn wir jetzt Ländertreffen zum Beispiel haben, den Austausch der einzelnen Landesverbände – wir haben demnächst in Dresden wieder einen Länderaustausch – das ist meine Aufgabe, das entsprechend dort zu präsentieren.
Robert: Was würdest du sagen, ist dabei der am meisten herausfordernde Aspekt?
Frank: Auf jeden Fall die Vorträge. Es ändert sich ständig etwas im Sozialrecht. Du musst immer auf dem Laufenden bleiben. Du kannst jetzt keine Vorträge für die Pflegeversicherung mehr halten, ausgehend vor 2017, 2017 hatten wir eine Rechtsänderung, dass es nur noch einen Pflegegrad gibt. Und der Pflegegrad heißt ja nicht mehr körperliche Untersuchung, wie es vorher noch war. Die Gutachter sitzen dann da mit ihrem Laptop und arbeiten einen Fragenkatalog ab. Und da geht es darum, die Leute darauf vorzubereiten, wie sie antworten müssen. Deswegen haben wir da auch entsprechende Pflegetagebücher, wo sie darauf vorbereitet werden. Ich bin oft genug bei solchen Pflegegutachten dabei. Und dann, wie gesagt, ich bin ja auch noch im Widerspruchsausschuss der Agentur für Arbeit Sachsen-Anhalt, wo es um die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen geht. Da kommt natürlich auch der Diabetes vor. Also das Sozialrechtliche und die Selbsthilfe, das ist bei mir alles eins, wenn du so willst, weil es gar nicht anders geht. Du könntest zwar jetzt in der Selbsthilfe auch sagen, dann nehmen wir uns einen Anwalt. Das ist aber auch wieder eine Kostenfrage.
Robert: Ich habe es vorhin schon einmal kurz angerissen, du hast in Gotha die Selbsthilfegruppe Diabetes ...
Frank: Das war Pankreas.
Robert: Ah, okay. Dann nimm uns einmal mit. Es ist 2000, du bekommst die Diagnose Diabetes Mellitus und im gleichen Jahr arbeitest du am Aufbau einer Selbsthilfegruppe mit. Was sind da so die Beweggründe und wie war die Zeit für dich?
Frank: Ich muss dazu sagen, ich bin 1999 operiert worden. Man hat eine akute nekrosierende Pankreatitis festgestellt, zwanzig Prozent Überlebenschance mit Anus praeter, Gewichtsverlust bis auf 45 Kilogramm. Dann ging das schon los, ich bin von der Reha wiedergekommen, das war im April, und da sollte ich von der Krankenkasse sofort zum ärztlichen Dienst, weil die Krankschreibung überprüft werden sollte. Da habe ich mich nach Gotha noch geschleppt, bin gar nicht alleine hingekommen, und dann hat der Arzt nur gesagt: »Können die nicht lesen?« Und ich habe aber im Krankenhaus schon festgestellt, dass ich nicht der Einzige bin. Ich hatte mich damals an die Selbsthilfe-Kontaktstelle in Gotha gewendet und dann haben wir über die Medien eine Veröffentlichung gemacht, dass wir hier eine Selbsthilfegruppe gründen wollten. Und aufgrund dessen waren von vorneherein zehn, zwölf Mann da. Das war für mich überraschend, auch für die Selbsthilfe-Kontaktstelle, dass da von vorneherein so viele Leute da waren. Das waren Pankreas-Karzinom-Patienten, es waren natürlich auch Pankreatiden, sage ich jetzt einmal. Es gibt ja da auch noch seltene Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse, wenn zum Beispiel ein endokriner Tumor in der Bauchspeicheldrüse wächst. Das heißt, die Leute sind dann auch ständig in der Unterzuckerung, die Ärzte wissen nicht warum. Das kommt im Prinzip nur durch ein CT zum Tragen. Ich hatte eine Patientin aus Eisenach gehabt, bei der mussten sie, nur um an den Tumor zu kommen, weil sie den nicht gesehen haben, die Bauchspeicheldrüse scheibchenweise wegschneiden, bis sie an den Tumor gekommen sind, um ihn dann komplett zu entfernen. Das sind solche komplizierten Sachen und die Operation der Bauchspeicheldrüse ist ja eine der kompliziertesten Operationen, die es gibt. Ich habe damals dann in Thüringen sogenannte Arzt-Patienten-Seminare, damals mit dem Chefarzt der Medianklinik, Reha-Klinik, Thüringen weit aufgebaut. Da waren jedes Mal weit über hundert Leute da. Dasselbe habe ich dann in der Uniklinik in Magdeburg – ich bin dann 2001 nach Sachsen-Anhalt gezogen
Robert: Ich wollte gerade fragen: Was war da der Grund? Also das musst du auch nicht erzählen, aber das finde ich ganz spannend.
Frank: Ja, es gibt so etwas wie Liebe. (lacht)
Robert: (schmunzelt) Ja, darauf kommen wir in irgendeiner Episode auch zu sprechen, bestimmt.
Frank: Und da habe ich damals gesagt, ich bekomme meine Rente dort und würde die auch hier bekommen. Und meine damalige Lebenspartnerin hat hier in Sachsen-Anhalt gewohnt und hat auch hier gearbeitet. Deswegen bin ich von Thüringen hierher gezogen. Vom Gedanken her bin ich immer Thüringer, das wird auch immer so bleiben. Ich werde immer eine Erfurter Puffbohne bleiben (lacht).
Robert: Aber jetzt gerade sind wir in Merseburg. #00:35:12-0#
Frank: Ja. Und ich habe in Milzau damals gewohnt, Milzau ist ja nicht allzu weit weg. Eine wunderschöne Wohnung, die sehen Sie von der Autobahn, die ist wie so ein Schloss, und da habe ich eine Wohnung gehabt.
Robert: Frank, hast du in einem Schloss gewohnt?
Frank: Das war wirklich wie in einem Schloss, eine Traumwohnung. Und auch ein Vermieter, der jedes Jahr für die ganzen Leute, die dort gewohnt haben, auf dem Grundstück ein Sommerfest veranstaltet hat auf eigene Kosten. Ja, und zum Sozialverband bin ich gekommen: 2003, nach vier Jahren Berentung wurde die Rente nicht weiter gewährt und durch die Selbsthilfe – ich hatte mit der Patientenberatung vom Sozialverband sehr eng zusammengearbeitet – und dort wurde gesagt: Wir suchen jemanden, der etwas vom Sozialrecht versteht. Er muss aber schwerbehindert sein. Und dann habe ich einen Termin mit der damaligen Landesvorsitzenden gemacht: Ja, wir müssen aber wissen, was Sie für Geld bekommen. Dann bin ich hier zum zuständigen Arbeitsamt in Merseburg hin. Die haben gesagt: Wir haben keine Arbeit. Ich sage: Ich hätte Arbeit. Ich will nur wissen, was ich fordere. Das war für die vollkommenes Neuland. Und über diese Schiene bin ich dann beim Sozialverband seit 2003 hauptamtlich in der Rechtsabteilung angestellt, habe dann in Magdeburg mit Professor Schulz, der damals stellvertretender Direktor der Uniklinik der Viszeralchirurgie war, auch wieder sogenannte Arzt-Patienten-Seminare aufgebaut, die monatlich sehr gut liefen, besonders als die Gesundheitsreform kam. Da waren so viele Leute dort angekommen, die wir wegschicken mussten, weil kein Platz mehr da war. Die haben draußen in den Gängen gestanden. Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen. Leider ist Professor Schulz nicht mehr in der Uniklinik. Er ist jetzt Chefarzt in Haldensleben und darf da aufgrund der Krankenhauspauschale keine Bauchspeicheldrüsenoperationen mehr machen. Das ist auch ein Arzt, über den man sämtliche Hände heben kann. Der ist wirklich vor der Operation zu seinen Patienten gegangen und auch nach der Operation und hat sich um die Patienten gekümmert. Und durch die Krankenhauspauschalen – die Chirurgien müssen ja soundso viele Pankreasoperationen nachweisen, damit der Arzt das auch machen darf. Dann haben wir alle zwei Jahre den Diabetikertag – das vielleicht noch dazu – das ist in Halberstadt, was sehr gut angenommen wird, wo auch entsprechende Fachreferenten da sind, und die kommen auch von sonst wo her. Wir hatten Dr. Fischer zum Beispiel, das ist ein Facharzt für spezielle Schmerztherapie, Behandlungsmöglichkeiten bei Neuropathie zum Beispiel. (auf Nachfrage:) Polyneuropathie, eine Nervenstörung. Der kommt von Zeitz-Naumburg zum Beispiel. Wir hatten eine Psychologin, die noch in Bad Berkau ansässig ist, die war da gewesen, gerade, was psychische Erkrankungen beim Diabetes anbetrifft. Dr. Aedtner ist selbst von Halberstadt, der über die Nieren spricht, und so weiter und so fort. Voriges Jahr haben wir aufgrund der Corona-Situation den Tag durchführen können und da wurden auch neue Sachen ausprobiert. Dr. Fischer hat zum Beispiel eine besprochene PowerPoint-Präsentation gemacht. Das war für uns auch erst einmal Neuland. Das heißt, auf der anderen Seite brauchst du nicht immer jemanden da zu haben, was ja auch ein Kostenfaktor ist, denn die Leute brauchen ja ihre Fahrtkosten, die kommen ja von irgendwo her. Uns so hat er den Link im Prinzip zugeschickt und einen Stick und da konnte man das dort abspielen. Er hat das so abgespielt, er saß an der Seite, und hat dann seine Präsentation besprochen. Er hat zwischendurch auch einmal, damit das wirklich so aussieht, dass er mit anwesend ist, sagte er: So, ich trinke jetzt einmal einen Schluck Wasser – und so weiter. Alles während dieser Präsentation. Der Nachteil ist lediglich, dass die Betroffenen oder die Zuschauer keine Fragen hinterher stellen konnten an den Arzt persönlich. Da haben wir es aber so geregelt, dass die Zuschauer ihre Fragen an uns weitergeben und ich die dann an Dr. Fischer weitergebe und er das entsprechend beantwortet.
Robert: Das klingt nach einer guten Corona-Routine. Aber wenn wir schon bei Aktionstagen sind: Am 14. November jährlich ist der Welt-Diabetes-Tag. Er wird seit 1991 jährlich am 14. November begangen und Zitat, das habe ich auf der offiziellen Website gesehen: Der 14. November ist der Geburtstag von Frederick G. Banting, der 1921 das lebenswichtige Hormon Insulin entdeckte. Das finde ich auch ganz spannend. Ich schaue bei den Aktionstagen immer: Wo kommen die her? Was haben die für einen Anlass? Und hier gibt es eben einen ganz KONKRETEN Anlass. Das finde ich auch ganz schön. Was bedeutet der 14. November, der Welt-Diabetes-Tag, für euch? Was macht ihr in der Gesellschaft?
Frank: Also wir, das hängt auch, wie gesagt, mit den vielen Aktionen zusammen, machen nichts. Das wird vom Bundesverband gemacht. Die machen in Berlin ihren Welt-Diabetes-Tag, wo wir dort auch mit eingeladen sind. Das kommt mit dazu. Das ist natürlich ein Anstoß, so etwas hier in Sachsen-Anhalt vielleicht mit zu integrieren, weil gerade Insulin, das war ja wirklich lebenswichtig für Diabetiker geworden. Es gibt einen Film zum Beispiel von 1923, wo ein Kind, bevor es mit Schweine-Insulin gespritzt worden ist, war es kachexiert bis zum Geht nicht mehr, das wäre dem Tode geweiht.
Robert: Da war es WAS?
Frank: »Kachexiert«, massiv abgenommen.
Robert: Für den Hörer.
Frank: Massiv abgenommen. Und ein halbes Jahr später war das Kind vollkommen normal. Das Kind ist über siebzig Jahre alt geworden.
Robert: Das war schon eine lebensrettende Evolution, oder?
Frank: Auf jeden Fall. Denn vorher sind ja alle Diabetiker im Prinzip gestorben. Es ist ja so viel ausprobiert worden, was man alles gemacht hat. Letztendlich haben die Diabetiker selbst nicht überlebt. Erst durch das Insulin.
Robert: Was ich auch ganz spannend fand: Seit 2007 ist der Welt-Diabetes-Tag auch ein offizieller Aktionstag der Vereinten Nationen. Und die UN haben zwar ganz viele Aktionstage, sie haben aber bloß zwei Aktionstage zu Krankheiten. Das eine ist der Welttag zu HIV und das Zweite ist der Welttag zu Diabetes.
Frank: Das ist insofern auch positiv zu werten, weil man hier natürlich auch die Gefahr des Diabetes erkannt hat. Ich war mehrmals zu einer Veranstaltung in der Dänischen Botschaft in Berlin, die Diabetes 2030 hieß. Dort wurde statistisch festgestellt, dass wir 2045 Minimum 42 Millionen Diabetiker allein in Europa und davon zwölf Millionen allein in Deutschland haben werden. Das heißt, es ist eine massive Steigerung der Erkrankung vorhanden und ist natürlich ein massives gesellschaftliches Problem, nicht nur für Deutschland, sondern auch für die ganze Welt.
Robert: Man sieht es selbstverständlich nicht, aber wir bringen für die Gästeverpflegung immer Snacks mit. Und das letzte Mal – das sage ich ganz transparent – hatten wir Kekse und Schoko-Rosinen. Und dieses Mal habe ich instinktiv gedacht: Oh, jetzt kaufst du einmal besser eine Paprika. Das war sofort ein Reflex, weil ich, nachdem ich mit der Recherche durch war, das Erste, was bei mir so aufgeglommen ist, als ich im Supermarkt stand und eingekauft habe, ich hatte überall Diabetes gesehen. Das war ganz seltsam. Aber gut, nun haben wir gefriergetrocknete Ananas und Paranüsse – auch gut.
Frank: Man muss dazu noch sagen, das hat mir ein Arzt in Bad Berkau, ein Diabetologe, klipp und klar gesagt: Ein Diabetiker kann alles essen, aber nicht in Massen, sondern in Maßen. Das ist das A und O, weil Stress, einmal als Beispiel: du hast Appetit auf eine Schokolade und dann sagst du dir, das darfst du nicht. Das erzeugt natürlich Stress und treibt damit auch wieder den Blutzucker nach oben.
Robert: Stimmt, das ist wirklich ganz spannend. Ich habe nämlich irgendwo gelesen, dass auch Adrenalinausschüttungen die Bauchspeicheldrüse zur Insulinproduktion anregen können. Das ist interessant, dass die Angst vor dem Diabetes quasi dafür verantwortlich sein kann, dass aktiv Insulin überproduziert wird. Faszinierend. Aber wenn wir schon bei so einem alltäglichen Thema sind: Skizziere uns doch einmal, wie der Diabetes deinen Alltag beeinflusst. Wir stellen uns vor, Pink Floyd gibt ein Reunion-Konzert – einfach einmal der Wunschtraum – du hast zwei Tickets. Wie sieht dein Tag aus unter dem Blickpunkt Diabetes?
Frank: Ja, du fängst im Prinzip früh an. Also bei mir, ich nehme die Pumpe erst einmal ab beim Waschen – das ist vollkommen normal – messe allerdings auch vorher. Vor dem Frühstück misst du dann und dann zeigt es dir deinen Bolus an, den gibst du ab, und dann kannst du normal essen. Mittags ist es genau das Gleiche. Es kann zwischendurch immer einmal passieren, ob das stressbedingt ist oder wie auch immer, Krankheiten wirken sich auch auf den Diabetes aus, wenn du jetzt erkältet bist oder wie auch immer, fühlst dich vielleicht nicht wohl, das wirkt sich immer auch auf den Diabetes aus. Nachmittags, Kaffee, du musst immer wieder messen.
Robert: Denkst du beim Kuchen darüber nach? Oder wie denkst du über das Essen dann nach?
Frank: Du kannst ja alles essen. Du musst bloß wissen, wie viele Kilokalorien der Kuchen zum Beispiel hat. Du kannst also ein Stückchen Kuchen essen. Warum nicht? Weil, wenn du jetzt keinen Kuchen isst und hast Appetit, sind wir wieder bei dem: Du hast dann Stresshormone. Du möchtest das und darfst das gar nicht. Da geht der Zucker wieder hoch. Du musst nur wissen, wie du das berechnest, damit du entsprechend das Insulin auch abgeben kannst. Wir sind heute in der Lage, als Diabetiker im Prinzip ein normales Leben zu führen. #00:46:25-9#
Robert: Und sagen wir einmal abends – du merkst, ich will auf die Situation Konzert hinaus – an was denkst du da?
Frank: Auf jeden Fall hast du immer wieder Schwierigkeiten beim Einlass, egal, ob du jetzt einen Pen hast oder eine Pumpe. Sobald die eine Pumpe oder einen Pen haben, den du ja benötigst, wirst du erst einmal herausgesucht, du musst den Nachweis bringen, dass du auch wirklich Diabetiker bist. Das ist aber auch bei Reisen so. Ich habe es selbst erlebt hier in Leipzig am Flughafen, da bin ich damals nach Griechenland geflogen. Ich sage: »Ich habe eine Insulinpumpe, ich habe hier das Gerät. Moment!« Dann kamen auf einmal fünf Mann um die Ecke, die mich erst einmal überall nach Drogen und weiß der Teufel was, untersucht haben. Das war wirklich so. Das hat ungefähr zehn Minuten gedauert, dann haben sie mich durchgelassen. Dann bin ich, ehe du ins Flugzeug kommst, dort hieß es: Sie sind gefährdet. Kommen Sie zurecht, wenn da oben etwas passiert? Das war wortwörtlich die Frage. Und dann habe ich gesagt: Natürlich, wenn das Flugzeug abstürzt, ist es egal, ob du Diabetes hast oder nicht.
Robert: Wir haben festgestellt: du bezeichnest deinen aktuellen Lifestyle als Unruhestand. Was würde dich dazu drängen, einmal einen Gang zurückzuschalten?
Frank: Das wird schwierig. Die Gedanken habe ich mir natürlich auch gemacht. Ich bin ja nun auch schon 66 Jahre, aber ich halte mir immer das Lied von Udo Jürgens vor Augen: Mit 66 Jahren geht das Leben erst los. Natürlich werden wir keine hundertfünfzig Jahre, dessen bin ich mir auch bewusst. Ich habe, man kann ruhig sagen, so ein massives Helfersyndrom, was soziale Ungerechtigkeit anbetrifft. Ich hatte es ja vorhin schon einmal erwähnt, mit Verfahren. Die Behörden sehen die Menschen nicht dahinter. Das ist das große Problem. Ich hatte das Beispiel jetzt genannt, wo mich der Vollzug da in Hohenmölsen angerufen hat, ob sie einmal meine Nummer weitergeben können. Dann hat sich die Frau bei mir gemeldet und hat im gleichen Atemzug die fristlose Kündigung der Wohnung bekommen und hat kein Hartz-IV bekommen wegen fehlender Mitwirkung, aus Unwissenheit, wie sich dann nachher herausgestellt hat, wo ich mich dann mit der Wohnungsgenossenschaft in Verbindung gesetzt habe, damit wir erst einmal eine Fristverlängerung bekommen haben, die Nachweise erbracht haben, an die Absender, sodass die Frau überhaupt erst einmal wieder anfangen kann zu leben. Wenn die fristlose Kündigung durchgegangen wäre, dann wäre sie nicht wieder auf die Beine gekommen. Sie hat noch eine elfjährige Tochter, das heißt, in dem Moment ist auch noch das Jugendamt noch mit im Boot und sie wäre ihre Tochter noch losgeworden. Da interessiert das die Behörden NICHT, was dahintersteckt. Die von der Wohnungsgenossenschaft haben ja mittlerweile angeboten – die haben mehrere solcher Fälle – dass wir uns da eine gewisse Zusammenarbeit aufbauen können. Die Leute wissen vielmals gar nicht, was auf sie zukommt. Und damit sind wir hier beim SGB I, die Auskunfts- und Beratungspflicht auch der Jobcenter, die das definitiv in den meisten Fällen nicht machen.
Robert: Ja. Das war jetzt ein kleiner Ausreißer nach links und nach rechts. Aber wie eingangs erwähnt, wir reden über Selbsthilfe, Selbsthilfearbeit und alles, was uns unter den Nägeln brennt. Und das hat unter den Nägeln gebrannt. Dann sind wir thematisch zumindest am Ende angekommen. Zum Abschluss immer noch eine Frage, die ich meinen Gästen stelle: Was bedeutet für dich Selbsthilfe in einem Wort?
Frank: Selbsthilfe ist im Prinzip die Hilfe untereinander, dieses Zusammenwirken von Betroffenen, Austausch: Wie geht der Einzelne mit seiner Erkrankung um? Kann ich das auf meine Erkrankung auch umschwenken? Mit welchem Arzt bist du zufrieden? Und so weiter. Dieser Austausch ist in der Selbsthilfe ganz, ganz wichtig.
Robert: Okay. Das heißt, Selbsthilfe in einem Wort ist für dich Austausch?
Frank: Austausch, ja.
Robert: Ja, das finde ich gut. Da gehe ich mit. Ja, dann sind wir am Ende angekommen. Frank, vielen Dank dafür, dass du dir die Zeit genommen hast, dass du UNS empfangen hast. Wir waren sehr gerne hier in Merseburg, sind gut hergekommen. Wir haben uns gut versorgt gefühlt. Ich wünsche dir weiterhin gute Gespräche, entweder auf Landesebene oder vielleicht auch wieder in einer Selbsthilfegruppe.
Ihr findet wie immer die Zusammenfassung, das Transkript et cetera online, könnt euch Weiterführendes anschauen. Wir verlinken euch ein bisschen Material zum Thema. Und dann: Kommt gut durch den Tag, habt eine schöne Zeit und bis zum nächsten Mal. Tschüss.
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Ihr findet wie immer die Zusammenfassung, das Transkript et cetera online, könnt euch Weiterführendes anschauen. Wir verlinken euch ein bisschen Material zum Thema. Und dann: „ausgesprochen menschlich - Selbsthilfe auf Sendung“ ist ein Podcast der AOK Sachsen-Anhalt. Redaktion und Moderation übernehme ich, Robert Gryczke. Redaktionelle Unterstützung und Koordination liefert Gerriet Schröder von der AOK. Technische Umsetzung und Schnitt leistet Axel Fichtmüller.
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