04 | Selbsthilfegruppe Schlaganfall Halle-Saalekreis
Shownotes
Nach einem Schlaganfall, gründet Gerhard Gautzsch die erste Selbsthilfegruppe Schlaganfall in Halle. In den folgenden Jahren initiiert er außerdem das Projekt „Ehrenamtliche Schlaganfallhelfer“. Wir haben ihn in Halle besucht und mit ihm über die Zäsur nach einem Schlaganfall geredet, über Hoffnung, Autos und die Selbsthilfearbeit.
Hier sind Deine Shownotes für diese Episode.
Zu Gast
Gerhard Gautzsch erleidet 2003, im Alter von 54 Jahren, einen Schlaganfall. Beflügelt durch Gespräche mit anderen Betroffenen, gründet er 2007 die Schlaganfall Selbsthilfegruppe Halle-Saalekreis. Bereits 2009 ist er Gründungsmitglied einer Landesarbeitsgemeinschaft, die 2012 im Schlaganfall Landesverband für Sachsen-Anhalt e.V. aufgeht. Bis in die Gegenwart engagiert er sich aktiv in der Selbsthilfearbeit, initiierte das Projekt „Ehrenamtliche Schlaganfallhelfer“ und sensibilisiert auch aktiv die Politik für das Thema.
Thema
Wer nicht betroffen ist, kann das Phänomen »Schlaganfall« oft gar nicht so richtig einordnen – allenfalls die Folgen, wie beispielsweise partielle Gesichtslähmungen oder allgemeine Probleme mit der Körpermotorik. »Schlaganfall« versteht sich heutzutage als Überbegriff für verschiedene Arten einer plötzlich auftretenden Durchblutungsstörung des Gehirns – und gehört damit in den Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Medizin unterscheidet grob zwei Arten - den Hirninfarkt, ausgelöst durch Arterienverschluss und die Hirnblutung, ausgelöst durch Blutungen im Gehirn. Allein in Deutschland erleiden jährlich ca. 270.000 Menschen einen Schlaganfall. (Quellen: Schlaganfall-Hilfe.de)
Selbsthilfegruppe Schlaganfall Halle-Saalekreis
Die Selbsthilfegruppe Schlaganfall Halle-Saalekreis wurde am 24.01.2007 gegründet. Aktuell engagieren sich 37 Mitglieder in der Selbsthilfegruppe, davon 12 Angehörige. Die SHG ist damit aktuell die größte Schlaganfallselbsthilfegruppe in Sachsen-Anhalt. Der Themenschwerpunkt ist Schlaganfall. Auch Angehörige tauschen sich hier regelmäßig untereinander aus. Interessierte sind herzlich eingeladen, an Einzelveranstaltungen teilzunehmen. (Stand Mai 2022; Informationen bereitgestellt durch Gerhard Gautzsch; Anm. d. Red.)
Den passenden Kontakt zur jeweiligen Regionalgruppe findest Du direkt auf der Website: www.shg-schlaganfall-hal-sk.de
Anlaufstellen für Schlaganfall-Betroffene
im mitteldeutschen Raum (Auszug):
Halle: BG Klinikum Bergmannstrost Magdeburg: Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin – Brustzentrum Magdeburg-Stendal
Magdeburg: Median Klinik NRZ Magdeburg (Reha-Klinik)
Wernigerode: Harzklinikum Dorothea Christiane Erxleben
Chemnitz: Klinikum Chemnitz
bundesweit:
Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe
Einen Schlaganfall erkennen, mit dem FAST-Test
FAST entlehnt sich aus dem Englischen für Face (Gesicht), Arms (Arme), Speech (Sprache) und Time (Zeit). Die Schlaganfall-Hilfe beschreibt den Test wie folgt:
Face / Gesicht: Bitten Sie die Person zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, deutet das auf eine Halbseitenlähmung hin.
Arms / Arme: Bitten Sie die Person, die Arme nach vorne zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, ein Arm sinkt oder dreht sich.
Speech / Sprache: Lassen Sie die Person einen einfachen Satz nachsprechen. Ist sie dazu nicht in der Lage oder klingt die Stimme verwaschen, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor.
Time / Zeit: Zögern Sie nicht, wählen Sie unverzüglich die 112 und schildern Sie die Symptome.
(Angaben übernommen von: Schlaganfall-Hilfe.de)
Ehrenamtliche Schlaganfallhelfer
Die Ehrenamtlichen werden zunächst in Wochenendseminaren auf ihren Einsatz vorbereitet. Dabei erhalten sie Schulungen zum Thema Kommunikation und weiteres Rüstzeug, wie Adressen, Kontakte etc., um Schlaganfallpatientinnen und -patienten optimal im Alltag unter die Arme zu greifen.
Mehr Informationen zum Projekt, inklusive Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme, finden Interessierte auf der Website: www.slvsa.de/schlaganfall-helfer/
Auto schlaganfallgerecht umbauen lassen
Das Auto ist für viele Schlaganfallpatientinnen und -patienten ein unabdingbarer Beitrag, um ein gewisses Maß an selbstbestimmtem Leben aufrechtzuerhalten. In der Episode spricht Gerhard Gautzsch über den Umbau von Autos für schlaganfallgerechtes Fahren.
Weiterführende Informationen dazu findest Du unter anderem in einem Artikel auf der Website der Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe: „Das behindertengerechte Auto“
Welt-Schlaganfalltag / World Stroke Day
29. Oktober (jährlich): Der Welt-Schlaganfalltag / World Stroke Day soll vor allem für die Erkennung von Schlaganfällen sensibilisieren. Der Aktionstag wurde 2006 ins Leben gerufen, nach dem Zusammenschluss der International Stroke Society und der World Stroke Federation. Jährlich finden um diesen Tag herum verschiedene Veranstaltung statt. (Quelle: www.world-stroke.org)
Kontakt
Für die Bereitstellung der Räumlichkeiten danken wir herzlich dem BG Klinikum Bergmannstrost.
Du hast Fragen, Anregungen und konstruktive Kritik zum Podcast und dieser Episode? Dann schreib uns einfach eine Mail: ausgesprochen-menschlich@san.aok.de
Mehr Informationen zu Projekten, Angeboten und Förderung rund ums Thema Selbsthilfe bei der AOK Sachsen-Anhalt, findest Du unter www.deine-Gesundheitswelt.de/Selbsthilfe
Transkript anzeigen
Transkript
Episode 04
Selbsthilfegruppe Schlaganfall Halle-Saalekreis
Moderation
Robert Gryczke
Zu Gast
Gerhard Gautzsch (Gründer)
Intro
Robert Gryczke: Wir müssen mal reden. Über ein Leben mit chronischer Erkrankung; mit Behinderung – und über Selbsthilfe. „ausgesprochen menschlich - Selbsthilfe auf Sendung“ Ein Podcast der AOK Sachsen-Anhalt.
Robert Gryczke:
Robert Gryczke: Und damit herzlich willkommen zur vierten Episode ausgesprochen menschlich - Selbsthilfe auf Sendung. Mein Name ist Robert Gryczke und in jeder Episode stelle ich eine Selbsthilfegruppe vor, rede mit meinen Gästen über Selbsthilfe, Selbsthilfearbeit und persönliche Erfahrungen. Ein kurzer Hinweis: Weiterführendes und Informationen zur aktuellen Episode und zum Podcast im Allgemeinen findet ihr in den Shownotes. Dort habt ihr auch die Möglichkeit, uns Feedback dazulassen, schaut da gerne mal rein. In unserer heutigen Episode geht es um das Thema Schlaganfall. Und dafür habe ich euch wie üblich eine kleine Definition vorbereitet:
Robert Gryczke: Wer nicht betroffen ist, kann das Phänomen »Schlaganfall« oft gar nicht so richtig einordnen – allenfalls die Folgen, wie beispielsweise partielle Gesichtslähmungen oder allgemeine Probleme mit der Körpermotorik. »Schlaganfall« versteht sich heutzutage als Überbegriff für verschiedene Arten einer plötzlich auftretenden Durchblutungsstörung des Gehirns – und gehört damit in den Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Medizin unterscheidet grob zwei Arten - den Hirninfarkt, ausgelöst durch Arterienverschluss und die Hirnblutung, ausgelöst durch Blutungen im Gehirn. Allein in Deutschland erleiden jährlich ca. 270.000 Menschen einen Schlaganfall.
Robert Gryczke: Und damit kommen wir zu unserem heutigen Gast. Mir gegenüber sitzt Gerhard Gautzsch, der 2003 im Alter von 54 Jahren einen Schlaganfall erlitt und sich seitdem der Selbsthilfearbeit verschreibt. 2007 gründete er die Selbsthilfegruppe Schlaganfall Halle, später Halle-Saale Kreis. 2009 ist Gerhard Gautzsch Gründungsmitglied einer Landesarbeitsgemeinschaft der Schlaganfallselbsthilfe, die 2012 als Schlaganfall Landesverband für Sachsen-Anhalt e.V. eingetragen wird und in dem er bis heute als Ehrenmitglied tätig ist. 2017 gewinnt er Doktor Petra Sitte als Schirmherrin der Selbsthilfegruppe. Im gleichen Jahr bringt er das Projekt »Ehrenamtliche Schlaganfallhelfer« auf die Spur, das bis in die Gegenwart von zahlreichen Krankenhäusern der AOK und der Stiftung deutscher Schlaganfallhilfe unterstützt wird. Herzlich Willkommen, Gerhard und vielen Dank dafür, dass du dir Zeit für uns nimmst.
Gerhard Gautzsch: Ich grüße Sie.
Robert: Was mich zu meiner ersten Frage bringt. Eigentlich klären wir das vorher, aber: Ist denn das Du für dich okay?
Gerhard Gautzsch: Sie können Du sagen, Sie können auch etwas anderes sagen. Ich reagiere, wenn es notwendig ist – entweder ja oder nein.
Robert: Dann gehe ich gerne zum Du, wenn es für Sie passt. Mein Name ist Robert.
Gerhard Gautzsch: Kein Problem. Ich bin Gerhard.
Robert: Hallo, Gerhard. Normalerweise klären wir das natürlich vorher, aber das ist mir dieses Mal komplett durch die Lappen gegangen. Gerhard, schön, dass du dir Zeit für uns genommen hast. Jetzt gerade, während der Aufzeichnung, das ist ganz spannend, findet oder fand in einem Raum nebenan ein Treffen der ehrenamtlichen Schlaganfallhelfer statt. Ein Zitat, das ich gefunden habe: »In drei Wochenendschulungen lernen die Helfer medizinische Aspekte, Grundlagen des Sozialrechts und Techniken der Gesprächsführung.«
Robert: Was für Inhalte bekommen die Helferinnen und Helfer so generell vermittelt? Und welche Voraussetzungen sollte man mitbringen, wenn man da Mitglied werden möchte?
Gerhard: Es sind alles Ehrenamtliche. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit sind sie gewillt, ein bisschen der Freizeit, die sie haben, uns zu widmen - den Betroffenen, die im Prinzip aufgrund ihres Schlaganfallereignisses nicht mehr aktiv tätig sein können. Und sie geben Unterstützung, vor allem im Haushalt und so weiter und so fort. Da sitzen einige Schlaganfallbetroffene mit draußen…
Gerhard: Der Kollege ist aus Dresden. Vor dem ziehe ich den Hut. Der war mal Dachdecker. Der steigt jetzt nicht mehr auf das Dach, sondern bringt anderen das bei, was ich allen immer gesagt habe. Für andere da sein, unterstützen, helfen, machen, was machbar möglich ist und so weiter und so fort.
Robert: Inwiefern bist du noch bei den ehrenamtlichen Schlaganfallhelfern involviert? Unterrichtest du selbst; bringst du selbst etwas bei?
Gerhard: Ja, ich gebe meine Erfahrung preis. Da ich ja im Prinzip stets einen neuen Schlaganfallbetroffenen, wenn der zur Selbsthilfegruppe stößt, dann erstmal unter meine Fittiche nehme und ihn dann ausfrage. Erstens, zweitens, drittens. Das sind immer meine Standardfragen: Rente, Schwerbehindertenausweis, Fahrtauglichkeit. Die Fahrtauglichkeit ist ja das A und O. Das Auto steht vor der Tür und ich kann nicht mehr Auto fahren.
Gerhard: »Die haben mir gesagt, ich kann nicht mehr Auto fahren.«
Gerhard: »Wer sagt das?«
Gerhard: »Die haben das gesagt, der Sozialdienst.«
Gerhard: Ich sage, lassen Sie sich von einem Neurologen bestätigen, dass Sie fahrtauglich sind. Sie müssen das aber wollen. Und der wird Ihnen dann sagen, dahingehend, zum Beispiel zur Deka oder zum TÜV und lassen Sie sich genau begutachten und die sagen Ihnen ganz genau, was eingebaut werden muss oder was umgebaut werden muss. Sie brauchen mindestens Automatikgetriebe, Sie brauchen mindestens einen Bremskraftverstärker, Sie brauchen mindestens dies, Sie brauchen das, Sie brauchen einen Drehknauf, denn Sie haben nur eine Hand. Das habe ich mir in Saalfeld besorgt, weil es hier den Typ nicht gab. Damit bin ich bis nach Österreich gefahren.
Robert: Das mit dem Auto, da sprichst du garantiert aus Erfahrung. Ich habe noch aus unserem Vorgespräch im Kopf, dass es für dich auch ein einschneidendes Erlebnis war. Du bist viel gefahren, du bist auch beruflich eine Zeit lang viel gependelt.
Gerhard: Ja.
Robert: Und dann hattest du nach dem Schlaganfall erstmal nicht mehr die Möglichkeit, mit dem Auto zu fahren. Aber mal ganz blöd gefragt, man kann sich das sonst, wenn man nicht betroffen ist, schwer vorstellen: So ein Umbau eines Autos, bezahlt das irgendjemand oder ist das eine private Aufwendung?
Gerhard: Damals war ich zu blöd und habe das selber bezahlt. Hätte ich das vorher gewusst, dass es durch die Pflegekasse Unterstützung gibt, hätte ich das alles vorher beantragt, bei der Pflegekasse und hätte mir einen Kostenvoranschlag geben lassen, den der Kasse vorgelegt, dann hätte ich vielleicht auch Geld bekommen. Das hatte ich aber nicht. Mein bisschen Erspartes, was ich hatte, das ist alles für das Auto draufgegangen.
Robert: Und ich habe noch so im Kopf, dass du aber von dir aus vor ein paar Jahren gesagt hast, dass das Auto jetzt stehenbleibt.
Gerhard: Das ist richtig. Ich komme mit der Straßenbahn hierher. Ich muss kein Taxi nehmen.
Robert: Okay. Gerhard, lass uns mal hier bleiben. Wir sind hier gerade in den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannstrost Halle. Ich habe dich quasi, als wir hier angekommen sind, eben aus einer Besprechung geholt oder aus den Nachwehen einer Besprechung. Und zwar just für diese ehrenamtlichen Schlaganfallhelfer. Arbeitest du selbst persönlich auch mit einem ehrenamtlichen Helfer zusammen?
Gerhard: Ich glaube, ich habe so viel Erfahrung in den fünfzehn Jahren gesammelt, dass ich das nicht unbedingt muss. Sie sollen sich um die kümmern, die es notwendig haben.
Robert: Aber du engagierst dich, obwohl du es wahrscheinlich tatsächlich nicht mehr müsstest. Also eine Verpflichtung hast du ja sowieso in dem Sinne nicht. Aber du bist trotzdem regelmäßig da und gibst dein Wissen weiter. Was motiviert dich da? Also ich kann mir vorstellen, es gibt Wochenenden, wenn die Ausbildung läuft, wo du auch sagen würdest, ach naja, das ist irgendwie ein schöner Tag und ich glaube, ich könnte auch ein bisschen Sonne tanken. Ich muss mich jetzt nicht noch in einen Seminarraum setzen. Aber irgendwas hält ja deinen Motor trotzdem in der Hinsicht am Laufen.
Gerhard: Das kann ich schwer sagen. Also es ist einfach eine Selbstverständlichkeit, die eigenen Erfahrungen anderen zu vermitteln. Wer kann das besser als einer, der jahrelang mit Schlaganfall betroffenen zusammengearbeitet hat. Der hat die Erfahrung gesammelt. Es geht ja doch weiter. Das ist doch das Tätigkeitsfeld für alle. Und die Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe sieht das genauso.
Robert: Okay. Gerhard, ich habe jetzt einmal den Einstieg gemacht über die ehrenamtlichen Schlaganfallhelfer, weil es sich angeboten hat und bis eben nebenan noch eine Veranstaltung stattgefunden hat - empfand ich als schöne moderative Brücke. Jetzt würde ich noch einmal gerne einen ganz kleinen Ausflug in die Vergangenheit machen. Gerhard, nimm mich mal mit. Es ist 2003, du bist Geschäftsführer einer Zweigstelle im Bereich Automatisierungstechnik...
Gerhard: Ja, richtig.
Robert: ...bist unter der Woche deshalb in Nürnberg, Wochenende nur daheim.
Gerhard: Ja.
Robert: Du pendelst. Und dann der Schlaganfall. Wie hast du die Situation erlebt?
Gerhard: War ein komisches Gefühl. An dem Tag bin ich nach Hause gefahren. Ich glaube, ich bin sogar einen Tag früher gefahren, weil ich im Stammhaus in Halle etwas zu tun hatte. Ich bin früh, beizeiten nach Hause gekommen. Ich habe mich schnell ins Bett gelegt, zwei Stunden geschlafen und dann rausgefahren, um mit dem Geschäftsführer ein paar Dinge zu bereden. Ich hatte Kopfschmerzen, was ich nicht kannte, da ich nie Tabletten nehme. Meine Hausärztin hat mich im Vorfeld einmal gewarnt vor dem Bluthochdruck. Bluthochdruck kann jeder haben. Also nicht drauf geachtet. Ich habe dann meine Frau kurz angerufen. An dem Tag, das war ein 6. Dezember 2003, mussten wir noch ein bisschen einkaufen, ein paar Weihnachtsgeschenke. Das ist nun einmal so, die Kinder waren eigentlich aus dem Gröbsten raus. Unser Jüngster wohnte noch bei uns. Wir sind zu Obi nach Diebitz gefahren. Also ich habe mit Ach und Krach das Auto auf den Parkplatz gekriegt, wir sind durch den Baumarkt gelaufen, haben die Kleinigkeiten eingekauft, es kreiselt immer noch. Ich sage, du mir geht es auch nicht gut, ich lasse das Auto stehen. Ich rufe unseren Großen an, der soll uns abholen. Unser großer war zu der Zeit Taxifahrer, für den war das gefundenes Fressen, dem haben wir, großzügig wie wir sind, immer alles bezahlt. Wir sind nach Hause, Abendessen. »Ich ess’ heut nichts mehr. Ich gehe morgen früh zum Hausarzt. Da ist etwas faul an der Sache, irgendwas stimmt nicht. Ich hoffe, ich komme noch hin.«
Ich bin dann früh aufgestanden, weil ich beizeiten zum Hausarzt wollte. Der macht um acht auf. Eine Stunde später sage ich, ich schaffe das nicht mehr, wir rufen 112 an. Der im Dienst war hat sich das alles angehört: »Ich schicke einen Notarzt vorbei.«
Zwanzig Minuten später war der Notarzt da und hat sich das alles angeguckt. Ich brauchte nicht viel zu sagen: »Sie brauchen nicht mehr zu laufen. Wir bringen Sie ins Krankenhaus.«
Zwanzig Minuten später war der Notarzt da und hat sich das alles angeguckt. Ich brauchte nicht viel zu sagen: Dann bin ich ins Krankenhaus gekommen. Da lag ich wie ein Brett im Bett. Es war alles weg. Die Sprache war weg, alles war weg. Das war eine Katastrophe.
Robert: Als du da gelegen hast, die ersten Tage nach der Diagnose, ich würde mal vermuten, der Arzt oder die Ärztin hat eine Diagnose gestellt und hat dir das erklärt. Was waren so die ersten Gedanken von dir und deiner Frau? Also verstehe mich nicht falsch, ich bin niemand, der jetzt so boulevardesk nachfragen muss, erzähl mal, was waren deine ersten Eindrücke. Aber wenn ich mir vorstellen würde, mein Körper macht nicht mehr, was er machen soll. Und ich liege da und wenn du das eben schilderst, mit dem Schlucken, das ist ein Problem und eine Körperhälfte will nicht mehr. Wenn ich mir das jetzt gerade vorstelle, so wie für jeden anderen ist das eine ganz ganz schlimme Vorstellung in dem Moment. Und was ist denn der erste Eindruck, wenn man da liegt und vielleicht auch mit der Frau, ich vermute mal, deine Frau hat dich besucht. Woran denkt man da als erstes? Worum möchte man sich als erstes kümmern?
Gerhard: Das erste war, meine Frau darf mich in dem Zustand nicht sehen. Das war mein erstes. Meine Enkeltochter, damals sechs Jahre, kam zu mir, brachte mir so eine kleine Figur mit. »Opa, das bleibt hier stehen. Das begleitet dich ein Leben lang.« Das war ein Schaf.
Gerhard: Ich habe nicht lange nach einer Rehaklinik gesucht, sondern die wurde mir angeboten. Sie können entweder nach Bad Düben oder nach Bad Liebenstein. Bad Düben, das war ja gleich um die Ecke hinter Bitterfeld. Das war mir zu dicht. Da könnte ja die Frau eventuell mit dem Taxi herüberkommen. Das wollte ich also nicht. Die sollte mich nicht so sehen. Warum verstehe ich auch nicht. Ich bin dann nach Bad Liebenstein gefahren. Das war zweihundert Kilometer weg. Ein Stückchen weiter. Und die haben mich dann erstmal richtig flott gemacht.
Robert: Ich wollte gerade sagen, also du hast dann ja trotzdem erstmal mit der Situation dich arrangieren müssen, vermute ich.
Gerhard: Ich musste fertigwerden.
Robert: Erzähle uns mal von dem Moment, als bei dir der Gedanke gereift ist, Selbsthilfegruppe für Schlaganfallhilfe in Halle.
Gerhard: Das war so, dass ich, nachdem ich aus der Rehaklinik gekommen bin, immer mal hier zum Arzt musste. Ich saß erst da drin, in der alten Villa, die sind dann da hinüber gezogen in den Neubau. Und da war auch mein Neurologe mit dabei, die Frau Doktor Bley-Renning. Die Frau Doktor Bley-Renning war seinerzeit Oberärztin auf der Station E eins. Das war die Akut-Station. Und da kam mir so der Gedanke, man müsste eigentlich mal mit denen, die hier so herumliegen so reden. Warum das passiert ist, wieso das passiert ist und was sie alles machen müssen.
Gerhard: Es war ja eigentlich auch so gedacht, wenn ich zum Besuchstag hingehe, dann habe ich vielleicht das Glück, den Angehörigen mit zu finden. Und da ich die Erfahrung gemacht habe, Rente, Schwerbehindertenausweis beantragen und so weiter. Es steht vor jedem dasselbe Problem. Und wenn ich die gefragt habe, was haben Sie denn gemacht, nichts. Warum nicht? Wieso nicht? Das war die Anfangsphase. Es entwickelte sich. Und so wurde nach und nach das System bis in die Weite getragen. Dabei hat mich der Sozialdienst im Krankenhaus wunderbar unterstützt. Die Frau Quickert vom Sozialdienst, die hat mich lieber draußen gesehen als drinnen.
Gerhard: »Sie nehmen mir ja die Arbeit weg.» (schmunzelt)
Da sage ich, ich nehme sie Ihnen nicht weg, ich erleichtere die Ihnen bloß. Und da haben wir vereinbart: Sprechstunden – Betroffene für Betroffene. Das heißt also der Betroffene geht zu dem am Krankenbett, der betroffen ist. Und das hat sich gut entwickelt. So lange, bis wir 2007 dann die Selbsthilfegruppe gegründet haben. Da waren so viele Leute zusammen, das ist unwahrscheinlich. Sie haben gerade da vorne unsere Urkunden gezeigt. So sah die aus. (Unterlagen werden übergeben)
Robert: Eben in der Veranstaltung, die du vorher gerade noch begleitet hast, bevor du zu uns ins Gespräch gestoßen bist.
Gerhard: So sah die aus. Einfach eine auf einem Rechner zusammengebaut.
Robert: Jawohl, ich nehme sie dir mal ab. Jawohl. Also ich habe eine Gründungsurkunde vor mir. Auf der steht: »Am. 24 Januar des Jahres 2007 wurde die Selbsthilfegruppe Schlaganfall Halle-Saale Kreis für Betroffene, Angehörige und Interessierte gegründet.«
Robert: Und dann die Gründungsmitglieder, das alles ist offiziell verbrieft und verstempelt. Habe ich auch noch nicht in Natura gesehen. Dafür vielen Dank.
Aber was gleich Interesse weckt, buchstäblich, was bedeutet in dem Kontext: Interessierte? Also Betroffene und Angehörige kann ich mir zusammenreimen. Habt ihr denn auch Leute, die noch gar keine Berührungspunkte mit der Materie haben und trotzdem zu euch kommen?
Gerhard: Anfangs ja. Weil sie haben gehört, dass irgendwo in der Verwandtschaft Onkel, Tante oder sonst jemand einen Schlaganfall bekommen hätte. Das können sie sich nicht vorstellen, sie sind einfach neugierig. Die sind dann mal gekommen, zwei, drei Mal und dann waren sie wieder weg. Das tat aber nicht weh. Weil die, die es betrifft, nämlich das Grundübel, Rente, Schwerbehindertenausweis und so weiter und so fort. Wir haben uns in der Anfangsphase nach 2007 einen eigenen Informationsstand organisiert und aufgebaut. Das große Logo stand immer dran: »Gemeinsam statt einsam«. Und das stimmte hundertprozentig. Wer nicht zu uns kommt, bleibt alleine. Und so kam die Selbsthilfe immer ein Stückchen weiter.
Robert: Das ist auch ein positives Signal. Aber das spiegelt ja ein bisschen wider, was du mir im Vorfeld auch erzählt hast. Korrigiere mich, ihr habt die größte Schlaganfallselbsthilfegruppe in Sachsen-Anhalt.
Gerhard: Das ist richtig.
Robert: Finde ich schon spannend, weil... also bis 2007 gab es hier im Umkreis gar keine Schlaganfallselbsthilfe und dann direkt die größte mit, die Zahlen habe ich da, dann musst du dich nicht bemühen, 37 aktiven Mitgliedern, davon 12 Angehörige.
Gerhard: Das ist jetzt die aktuelle Zahl.
Robert: Ja.
Gerhard: Wir waren mal 54, vorher.
Robert: Ja.
Gerhard: Da wurde ich ängstlicher. Da brauchte ich einen Kongressraum. Rein theoretisch, die Stiftung sagt immer, maximal dreißig Mitglieder innerhalb einer Selbsthilfegruppe. Wenn die Zahl überschritten wird, empfehlen sie eine zweite Selbsthilfe zu gründen. Wir haben dann in der Leitung, als das so weit war, beraten. Wir haben keine Möglichkeit, eine zweite Gruppe zu gründen. Wir haben uns mit der Selbsthilfekontaktstelle des praktischen Wohlfahrtsverbandes in Verbindung gesetzt. Was machen wir denn? Wir bemühen uns, weiterzuarbeiten, aktiv zu arbeiten. Irgendwann wird es sich ergeben, dass dieser oder jener ausfällt. Es ist keiner gestorben, bis auf die offiziellen Zahlen, die da gestorben sind. Zwei sind bei uns gestorben. Sie sagt dann, das wird mir zu viel, ich komme nicht mehr. Wir hatten dann immer einen festen Rhythmus, wir haben uns in der Kantstraße getroffen bei (unv.). Das war schon ganz schön gewaltig.
Robert: Dann nimm uns doch mal mit in die Selbsthilfearbeit. Wie sieht deine Selbsthilfearbeit aus? Oder vielleicht sollten wir es gar nicht mal Selbsthilfearbeit nennen, dann klingt das nach Belastung. Aber du engagierst dich ja wirklich über Gebühr hinaus unfassbar viel in dem Bereich. Wie sieht zum Beispiel so ein Gruppentreffen bei euch aus? Wie oft macht ihr das? Und wie beschäftigst du dich darüber hinaus mit den Mitgliedern?
Gerhard: Ja, das ist einfach gesagt. Man könnte das mit Zahlen ausdrücken. Es gibt einen Jahresplan, der gemeinsam in der Gruppe erarbeitet wird. Der wird dann durch die Leitung der Selbsthilfegruppe aufgestellt und dann beschlossen wird. Und was beschlossen ist, ist Gesetz. So habe ich das früher immer gehandhabt. Und danach wird gehandelt.
Gerhard: Da haben wir festgelegt, einmal im Monat Leitungssitzung, einmal Treffen der Selbsthilfegruppe zu bestimmten Themen. Entweder Vortrag eines Arztes oder Vortrag eines Psychologen, Vortrag eines Podologen und so weiter und so fort. Es gibt ja vielfältige Möglichkeiten. Und es gibt manche Dinge auch neu, die jetzt in der Medizin dazugekommen sind, wo man sagt, wenn das so gewesen wäre, wäre es anders gekommen. Und dazu kommt noch, wer ernsthaft arbeitet, sollte auch gemütlich arbeiten. Einmal im Jahr haben wir unser Grillfest. Also auch etwas Gemütliches. Wir haben zwei Monate Urlaubszeit, wo nichts passiert. Das weiß jeder. In der Zeit von bis ist Urlaubszeit, da wird nichts gemacht. Ich muss mich auch mal erholen, ich brauche auch mal meine Ruhe. Und andere fahren in den Urlaub oder sonst etwas. Aber wir waren immer wieder erstaunt, zum Jahreswechsel, also zu unserer Jahresabschlussveranstaltung oder sprich Weihnachtsfeier, da kam nicht nur der Weihnachtsmann, da waren sie alle da. (schmunzelt)
Robert: Wie lange möchtest du das machen?
Gerhard: Solange, wie ich lebe.
Robert: Okay.
Gerhard: Solange, wie ich mobil bin, solange, wie ich gehen kann, möchte ich mich einbringen. Aber nicht auf Dauer, sondern immer nur mal sporadisch. Ich sage mal, nur wenn Not am Mann ist, bin ich da.
Robert: Ich habe es vorhin schon einmal angesprochen und ich will jetzt gar nicht behaupten, dass wir vielleicht schon Stammhörer oder Stammhörerinnen haben, aber wenn doch, wird man bemerkt haben, dass ich die Perspektive der Angehörigen immer spannend finde, weil ich persönlich von den meisten medizinischen Phänomenen, die wir hier besprechen, nicht betroffen bin und mir aber vorstellen kann, dass zum Beispiel Angehörige von Schlaganfallpatienten und -patientinnen… dass das auch etwas mit einem macht, dass man emotional vielleicht angefasst ist. Und meine Erfahrung ist, dass die Patientinnen und Patienten selbst irgendwann mit der Zeit auch mit sich im Reinen sind, also den Krankheitszustand auch akzeptieren und damit leben. Aber Angehörige kämpfen damit noch länger. Und jetzt versuche ich mal den Bogen zu kriegen (schmunzelt): Ihr habt 12 Angehörige unter 37 Mitgliedern. Ich finde, das ist im positiven Sinne schon viel. Was wünschen die sich von euch? Was für Anfragen haben die? Wie helft ihr denen?
Gerhard: Das sind meistens Anfragen, was ich vorhin schon angeführt habe. Rente, wie geht es weiter, was kann ich machen, wo kann ich mich einbringen, warum ist das so und, und, und. Für die Angehörigen ist es natürlich ein Problem, sich jeden Monat vielleicht wieder dasselbe anzuhören. Wir kommen nicht umhin, immer wieder dasselbe sagen zu müssen. Es kommen neue dazu, es fallen ältere heraus, die sagen nein, das ist nicht mehr für mich, das ist immer wieder dasselbe. Das stimmt. Interessanterweise ist es immer der pflegende Angehörige, der besser aufmerksam ist als der Betroffene. Bei dem Betroffenen geht es rein und wieder heraus. Also mir geht es manchmal so, ich muss meiner Frau zwei, dreimal nachfragen, was hast du jetzt gesagt? Warum? Ich soll die Waschmaschine voll machen? Willst du schon wieder waschen? Ja, das ist immer das, was ich nicht verstehe. Sauber machen ist eine Selbstverständlichkeit. Da müsste eigentlich jeder ran. Aber was mache ich denn, wenn ich den Staubsauger nicht mehr mit beiden Händen festhalten kann?
Robert: Vielleicht an der Stelle noch einmal ein Service-Hinweis: Zusammenfassungen des Gesagten, weiterführende Informationen zum Thema und rund um das Thema Schlaganfall, Schlaganfallhilfe und ehrenamtliche Schlaganfallhelfer findet ihr in den Shownotes. Dort könnt ihr jederzeit nachgucken, wenn euch ein Thema noch einmal tiefer interessiert. Wir haben euch ein paar Informationen verlinkt, auch Kontaktmöglichkeiten und ein kleines Glossar. Da könnt ihr noch einmal nachgucken, rund um das Thema Schlaganfall und Schlaganfallhilfe. Da lohnt sich ein Blick in die Shownotes. So - und wir machen hier jetzt weiter. Wir haben es eingangs versucht, noch einmal abzubilden, du hast jetzt relativ viel im Bereich Selbsthilfearbeit, Schlaganfallhilfe gemacht.
Robert: Was wünscht du dir denn in Puncto Schlaganfallhilfe oder Schlaganfallversorgung für Deutschland? Du hast ja sowieso schon viel in Bewegung gesetzt, aber man muss ja auch immer klarmachen, das passiert auch ganz oft auf lokaler und regionaler Ebene. Und du bist ja aber unfassbar sozial engagiert, aber auch teilweise politisch engagiert. Du versuchst, etwas zu bewegen. Und das machst du schon sehr, sehr lange. Was sind so deine Wünsche, was würdest du dir noch einmal wünschen für die Schlaganfallhilfe, -Versorgung, -Vorsorge, -Nachsorge? Wo sind denn da die größten Lücken?
Gerhard: die größten Lücken würde ich sehen im Übergang von der Akutphase in die Reha-Phase. Es gibt sehr gute Stroke-Kliniken. Im Übrigen ist der Bergmannstrost die älteste Stroke Klinik und die beste. Es gibt aber zu wenig Reha-Kliniken. Reha-Kliniken in dem Sinne, dass die sich hauptsächlich mit Schlaganfallbetroffenen befassen. Bad Düben ist das beste Beispiel davon. Da kommt alles hin, was nicht niet- und nagelfest ist. Die haben nebenbei noch eine andere Stelle in Bad Schmiedeberg. Und wenn du Glück hast, kommst du nach Bad Schmiedeberg, dann bist du weg vom Fenster. Ich möchte eigentlich lückenlos haben, akut drei Tage Akutklinik hier im Haus, dann in den Erholungsbereich, also F1, F2. Von da aus direkt in de Reha-Klinik. Nicht in irgendeine, sondern in die beste. Und da gibt es einige, wo ich der Meinung bin, dort sind sie am besten aufgehoben. Da wird am meisten etwas mit ihnen gemacht, mit den Patienten. Und dann bei entsprechenden Ergebnissen oder Erfolgserlebnissen, die der Patient hatte, ihm dann zu sagen, jetzt könntest du eigentlich nach Hause gehen. Erst dann, wenn die Reha-Klinik sagt, du könntest nach Hause gehen. Dann wäre das richtig. Meine persönliche Meinung.
Robert: Da fällt mir übrigens wieder auf, ich habe das Wort vorhin im Vorgespräch schon einmal gehört, ihr verwendet relativ häufig den englischen Terminus für Schlaganfall, Stroke.
Gerhard: Ja.
Robert: Genau. Da gibt es dann auch sogenannte »Stroke Units«, also Einrichtungen, die sich tatsächlich auf die Versorgung von Schlaganfallpatienten spezialisiert haben. Auch so etwas findet ihr übrigens in den Shownotes. Was steht bei dir als nächstes an? Was machst du als nächstes? Also du hast eine Selbsthilfegruppe gegründet, Landesverband, du kümmerst dich um, ich sage jetzt mal, Nachwuchs für die ehrenamtlichen Schlaganfallhelfer. Nachwuchs hat in dem Fall nichts mit dem Alter zu tun. Was ist dein nächstes Projekt? Podcast hast du jetzt auch abgehakt, super. Was ist dein nächstes Projekt, Gerhard?
Gerhard: Das ist schwer zu beantworten. Kann ich mich mit 73 Jahren noch einbringen? Gilt mein Wort noch? Oder wird es ignoriert? Ich möchte wenigstens den fünfundzwanzigsten Jahrestag der Selbsthilfegruppe noch erleben. Das wäre meine persönliche Zielstellung. Ich glaube, dann wird es langsam Zeit, dass ich abtrete. Ganz abtrete. (schmunzelt) Aber das überlassen wir der Natur. Ich möchte, dass in den festgelegten Teilen auch der gemütliche Teil nicht zu kurz kommt. Immerhin haben wir dazu noch das therapeutische Reiten entwickelt und weiterentwickelt. Wir gehen in den Sommermonaten reiten. Dann haben wir ein kognitives Training, eine Arbeitsgemeinschaft »Kognitives Training«, auch hier in Bergmannstrost entwickelt. Ich denke mir, das ist gut besucht. Im Schnitt sind da immer zehn, zwölf Personen. Beim reite etwas weniger. Eigentlich schade, da hätte mehr sein können, aber viele haben Angst vor Pferden.
Robert: Du, das kann ich komplett nachvollziehen. Ich bin soweit fit, aber auch ich habe ein bisschen dolle noch Respekt vor Pferden. Ich habe einmal einen Huf in den Bauch bekommen, seitdem habe ich sehr viel Respekt vor Pferden.
Robert: Aber Jahrestag war auch ein schönes Stichwort. So gegen Ende einer Episode erwähnen wir immer noch einmal den passenden Jahrestag. Ich habe kurz geguckt, das ist heutzutage nicht ganz so schwierig zu finden. Am 29. Oktober ist jährlich der »Weltschlaganfalltag«, beziehungsweise der »World Stroke Day«. Der wurde 2006 ins Leben gerufen nach dem Zusammenschluss zweier größerer Interessensgemeinschaften. Und zwar der International Stroke Society und der World Stroke Federation. Klingt superwichtig, sind sie auch. Findet dieser Tag irgendwie bei euch Erwähnung? Ist das ein Thema bei euch?
Gerhard: Es gibt im Prinzip zwei große Feiertage für den Schlaganfall. Es gibt einmal den »Tag des Schlaganfalls« am 10. Mai und es gibt den »Weltschlaganfalltag«. Leider ist durch Corona vieles ausgefallen. Dazu kommt noch, seit geraumer Zeit kommt der rote Bus. Ich sage einfach roter Bus, das ist für uns der Schlaganfallbus der Stiftung von der Firma Bürger Ingelheim, der sich dann in der Stadt präsentiert. Meistens stehen wir auf dem (Wochenmarkt?), aber nicht alleine. Daneben steht die Selbsthilfegruppe. Und dann ist wieder vereint der Bergmannstrost, die Uniklinik….
Robert: Okay...
Gerhard: Und Krankenhaus Martha-Maria in Dölau. Da sind nämlich drei Stroke-Kliniken etabliert. Die stehen auf dem Marktplatz und geben denen eine Antwort, den es interessiert. Und die Fragestellungen sind manchmal sehr vielfältig. Man kann auch in den Bus klettern, man kann auch oben sitzen, man kann sich berieseln lassen von der Sonne, oder auch nicht. Das ist eigentlich der Tag, wo wir uns immer freuen, dass Zulauf da ist. Und das sollte man nutzen.
Robert: Ja, bestimmt. Gerhard – jetzt war das sehr viel Inhalt, sehr viel Schönes. Zum Ende einer Episode hin habe ich immer noch eine Frage an meine Gäste. Und zwar wie sie Selbsthilfe in einem Wort beschreiben würden. Dieselbe Frage habe ich auch an dich. Du kannst dir gerne so viel Zeit nehmen, wie du möchtest. Was bedeutet für dich Selbsthilfe in einem Wort? Beschreibe Selbsthilfe oder Selbsthilfearbeit in einem Wort.
Gerhard: Das lässt sich mit einem Wort nicht beantworten.
Robert: (schmunzelt) Das hören wir öfter. Wir kennen das. Aber ich setze jedes Mal nach, versuche es bitte trotzdem. Beschreibe Selbsthilfe, was sie für dich bedeutet in einem Wort.
Gerhard: Das kann ich nicht mit einem Wort beantworten. Das geht nicht, beim besten Willen nicht.
Robert: Gut, dann hat sich Gerhard erfolgreich um die Herausforderung herum gedrückt.
Gerhard: Das stimmt nicht.
Robert: Aber trotzdem allem Spaß zum Trotze, vielen Dank dafür, dass du dir heute die Zeit genommen hast, hier zu sein, beziehungsweise dass du dir zusätzlich Zeit genommen hast, nach deiner eigentlichen Aufgabe hier im Nebenraum noch einmal zu uns zu kommen und dich mit uns zu unterhalten. Ich wünsche dir weiterhin eine gute Zeit. Und vor allem weiterhin gute Gespräche.
Gerhard: Danke.
Robert: So, das war die vierte Episode von Ausgesprochen menschlich – Selbsthilfe auf Sendung. Noch einmal der Hinweis, das ganze Glossar, Fachtermini et cetera findet ihr auch noch einmal in den Shownotes. Ich bedanke mich dafür, dass ihr eingeschaltet habt, wünsche euch eine sonnige Zeit. Bei uns scheint die Sonne, bei euch hoffentlich auch. Und ja, bis zum nächsten Mal, wenn ihr mögt. Tschüss.
Robert: Credits
Robert:
Robert: „ausgesprochen menschlich - Selbsthilfe auf Sendung“ ist ein Podcast der AOK Sachsen-Anhalt. Redaktion und Moderation übernehme ich, Robert Gryczke. Redaktionelle Unterstützung und Koordination liefert Gerriet Schröder von der AOK. Technische Umsetzung und Schnitt leistet Axel Fichtmüller.
Robert:
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