02 | Offene Parkinson Selbsthilfegruppe Magdeburg
Shownotes
Ingolf Thiemann leitet die Offene Parkinson Selbsthilfegruppe Magdeburg. In den Räumlichkeiten der AOK und per Videkonferenz haben wir uns mit ihm getroffen. Wie geht man mit der Diagnose Parkinson um? Welche Herausforderungen gibt es auch für Angehörige? Und wie bewahrt sich Ingolf seine innere Ruhe? Darüber sprechen wir in dieser Episode.
Hier sind Deine Shownotes für diese Episode.
Zu Gast
Ingolf Thiemann ist gelernter Ausbaufacharbeiter und Maurermeister, lebt seit 2016 mit der Diagnose Parkinson und findet im Garten und auf dem Boot zu seiner inneren Mitte. Als Leiter der Offenen Selbsthilfegruppe Parkinson Magdeburg organisiert er die Treffen der SHG und hat darüber hinaus ein offenes Ohr für Betroffene und Angehörige.
Themen
Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit oder auch einfach Parkinson, bezeichnet eine „fortschreitende, chronische, neurodegenerative Erkrankung. Hauptmerkmale sind Probleme der Körperbewegungen, bezeichnet als «motorische Symptome», in Form von Bewegungsverlangsamung und Bewegungsverzögerung, Muskelsteifheit und gegebenenfalls Zittern.“
Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, von der allein in Deutschland knapp 400.000 Menschen betroffen sind. Weltweit sind es knapp 6.1 Millionen.
Früher war die Krankheit aufgrund ihrer Symptome auch als »Schüttellähmung« bekannt. Bereits 1817 fasste der britische Arzt James Parkinson das Krankheitsbild in seinem »Essay on the Shaking Palsy“ – etwa Essay über die Schüttellehmung – zusammen.
Erst in den 1870èrn bezeichnete der französische Neurologe Jean-Martin Charcot die Krankheit aber als »Parkinson Disease« also Parkinson-Krankheit und ehrte damit rückwirkend die Forschungsleistung von James Parkinson. (Quellen: Parkinson.ch; News-Medical.net)
Offene Parkinson Selbsthilfegruppe Magdeburg
Die Offene Parkinson Selbsthilfegruppe Magdeburg wurde im November 1977 gegründet, offiziell als Gymnastikgruppe „um Neurologin Fr. Lerner“. Die Gruppe trifft sich einmal im Monat zu verschiedenen Themen, etwa Ernährung, Therapiemöglichkeiten, häusliche Pflege, etc. Derzeit umfasst die Gruppe ca. 30 Mitglieder, zu deren Treffen auch Angehörige herzlich eingeladen sind. Neben den regulären Treffen, wird auch zu ausgewählten Feiertagen und Anlässen zusammen gefeiert. (Informationen bereitgestellt durch Ingolf Thiemann; Anm. d. Red.)
Kontakt kannst Du direkt über Ingolf Thiemann aufnehmen:
- Telefon: 0391 2513270
- E-Mail: Ingolf.Thiemann@gmail.com
Anlaufstellen für Betroffene von Parkinson
im mitteldeutschen Raum:
Waldklinik Bernburg GmbH – Parkinson-Spezialklinik (Website)
Alexianer Klinik Bosse Wittenberg – Parkinson-Station (Website)
bundesweit:
Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörung (Website)
Zwischen dem Gespräch
Manchmal ergeben sich während vor oder nach der eigentlichen Aufnahme noch Gespräche, deren Inhalte es nicht in die Episode geschafft haben. Diese Informationen platzieren wir gerne an dieser Stelle.
Bewegungstherapie ist ein wichtiger Punkt im Leben vieler Parkinson-Patientinnen und -patienten. Ingolf Thiemann hat uns freundlicherweise notiert, was die Bewegungstherapie ausmacht: rhytmische koordinierte Übungen; Haltungsschule; Mimik und Kaufunktion; Gehschule; Gleichgewichtsübungen; Geschicklichkeitsübungen
Im Nachgespräch zeigt uns Ingolf Thiemann eine Patientenbroschüre, die ihm persönlich sehr hilft und die er weiterempfiehlt: Mein Leben, Mein Parkinson – herausgegeben von der Europäischen Parkinson Gesellschaft (EPDA).
Wir fragen unsere Gäste im Vorgespräch gezielt nach Medientipps. Ingolf Thiemann empfahl das Parkinson-Magazin Parkour Kompakt, das es physisch und digital zu lesen gibt. (Redaktioneller Hinweis: Parkour ist ein Angebot des Bio-Pharma-Unternehmens AbbVie. Ein weiteres Magazin ist Parkinson, die quartalsweise erscheinende Zeitschrift der gemeinnützigen Organisation Parkinson Schweiz.)
Welt-Parkinson-Tag / World Parkinson's Day
11. April (jährlich): Der Welt-Parkinson-Tag / World Parkinson’s Day soll das Bewusstsein ffür Parkinson steigern. Die European Parkinson’s Disease Association (EPDA) richtete den Tag das erste Mal 1997 aus. Verschiedenen Quellen nach, wurde das Datum gewählt, weil es gleichzeitig der Geburtstag von James Parkinson ist. Es gibt bisher kein offizielles einheitliches Zeichen, aber die Rote Parkinson-Tulpe, seltener auch einfach nur Tulpen, setzen sich langsam als Symbol durch.
Kontakt
Für die Bereitstellung der Räumlichkeiten danken wir herzlich der AOK Sachsen-Anhalt / Magdeburg.
Du hast Fragen, Anregungen und konstruktive Kritik zum Podcast und dieser Episode? Dann schreib uns einfach eine Mail: ausgesprochen-menschlich@san.aok.de
Mehr Informationen zu Projekten, Angeboten und Förderung rund ums Thema Selbsthilfe bei der AOK Sachsen-Anhalt, findest Du unter www.deine-Gesundheitswelt.de/Selbsthilfe
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Transkript
Episode 02
Offene Parkinson Selbsthilfegruppe Magdeburg
Moderation
Robert Gryczke
Zu Gast
Ingolf Thiemann (Leiter)
Intro
Robert Gryczke: Wir müssen mal reden. Über ein Leben mit chronischer Erkrankung; mit Behinderung – und über Selbsthilfe. „ausgesprochen menschlich - Selbsthilfe auf Sendung“ Ein Podcast der AOK Sachsen-Anhalt.
Robert Gryczke:
Robert Gryczke: Und damit herzlich willkommen zu einer weiteren Episode „ausgesprochen menschlich – Selbsthilfe auf Sendung“. Mein Name ist Robert Gryczke und ich stelle euch in jeder Episode eine Selbsthilfegruppe vor. Mit meinen Gästen rede ich über Selbsthilfe, Selbsthilfearbeit und ihre Erfahrungen als Betroffene und Angehörige. Aktuelle Informationen rund um die Sendung und die Episode findet ihr in den Shownotes, dort habt ihr auch die Möglichkeit, uns Feedback dazulassen. Schaut da gerne mal rein.
Der eine oder andere hört es vielleicht, meine Stimme ist etwas belegt und ich neige gerade dazu, zu näseln, das liegt natürlich in der heutigen Zeit an Corona. Deswegen zeichnen wir auch Corona-konform auf, bedeutet: Ich sitze bei mir im Homeoffice – mein Team und mein Gesprächspartner sitzen am anderen Ende der Leitung und wir nehmen simultan auf. So, das war das Vorgeplänkel und jetzt können wir direkt einsteigen.
In der heutigen Episode geht es um Parkinson. Dazu habe ich euch einen kleinen Überblick vorbereitet:
In der heutigen Episode geht es um Parkinson. Dazu habe ich euch einen kleinen Überblick vorbereitet: Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit oder auch einfach Parkinson bezeichnet eine fortschreitende, chronische, neurodegenerative Erkrankung. Hauptmerkmale sind Probleme der Körperbewegungen, bezeichnet als „motorische Symptome“, in Form von Bewegungsverlangsamung und Bewegungsverzögerung, Muskelsteifheit und gegebenenfalls Zittern. Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, von der allein in Deutschland knapp vierhunderttausend Menschen betroffen sind. Weltweit sind es circa 6,1 Millionen. Früher war die Krankheit aufgrund ihrer Symptome auch als „Schüttellähmung“ bekannt. Bereits 1817 fasste der britische Arzt James Parkinson das Krankheitsbild in seinem „Essay on the Shaking Palsy“, also etwa „Essay über die Schüttellähmung“, zusammen. Erst in den 1870ern bezeichnete der französische Neurologe Jean-Martin Charcot die Krankheit aber als „Parkinson Disease“, also „Parkinson-Krankheit“, und ehrte damit rückwirkend die Forschungsleistung von James Parkinson.
In der heutigen Episode geht es um Parkinson. Dazu habe ich euch einen kleinen Überblick vorbereitet: So, und nach dem kleinen Überblick begrüße ich jetzt meinen Gast der aktuellen Episode. Mir gegenüber, zumindest digital, sitzt Ingolf Thiemann, Leiter der Offenen Parkinson-Selbsthilfegruppe Magdeburg, seit sechs Jahren selbst Parkinson-Patient, gelernter Ausbaufacharbeiter und Maurermeister und aktuell als Hausmeister tätig. Ingolf, ich grüße dich, hallo. (…) Ingolf, magst du uns vielleicht in eigenen Worten mal die offene Parkinson-Selbsthilfegruppe Magdeburg vorstellen? Also sprich, wie oft trefft ihr euch, wie viele Mitglieder habt ihr et cetera pp.
Ingolf Thiemann: Ja. Unsere Gruppe, die Selbsthilfegruppe Magdeburg, die wurde ja 1977 gegründet durch eine Neurologin, Frau Doktor Lerner. So, diese Regionalgruppe wurde dann 1990 von den DBV übernommen, und da waren das damals ja schon mittlerweile neunzig Personen, die parkinsonerkrankt waren, die in dieser Gruppe mitgewirkt haben. Heute sind es nicht mehr ganz so viele (…) und der Stand heute ist, dass wir dreißig Personen sind. Wir treffen uns einmal im Monat, jeden dritten Mittwoch um 14:00 Uhr im Offenen Treff Nordwest und halten dann da unsere Veranstaltung oder wir haben Gäste, die uns unterstützen.
Robert: Du hast im Vorgespräch gesagt, dass ihr neben Parkinson auch Leute mit Rückenproblemen in der Selbsthilfegruppe habt. Ähm, wie...
Ingolf: Nein, das sind die Parkinson-Leute.
Robert: Ach so, okay. Das hängt sowieso miteinander zusammen. Generell ist Parkinson, so habe ich das rausgelesen, eine unfassbar vielfältige Erkrankung. Also gar nicht im positiven Sinne gemeint, vielfältig, sondern du hast das in einem Satz so schön beschrieben, den finde ich sehr schön, darum würde ich ihn kurz mal zitieren. (Zettelrascheln)
Robert: Genau, hier. „Es gibt ja viel Parkinson-Lektüre, aber man muss auch wissen, dass jeder seinen eigenen Parkinson hat.“ Kannst du uns das vielleicht mal kurz erklären? Was bedeutet „jeder hat seinen eigenen Parkinson“?
Ingolf: Ja, in der Gruppe, der ich vor sechs Jahren beigetreten bin, habe ich festgestellt, dass nicht einer wie der andere sich bewegt, sondern jeder seinen eigenen Rhythmus hat, um seine Bewegungen im Griff zu behalten, in der Zeit, wo wir uns dann treffen. Weil bei dem einen, da zittern die Arme, bei dem anderen wackelt der ganze Körper. Manche haben (...) mit den Füßen zu tun, dass die Füße dann zappeln und dass sie dann aufstehen wollen und müssen dann gehen. Also da hat man schon gesehen und durch die Gespräche, die man über Jahre jetzt geführt hat, dass sozusagen jeder seinen eigenen Parkinson hat, der eben medikamentös auch bei jedem anders verläuft.
Robert: Ja. Das heißt, buchstäblich jeder Parkinsonpatient, jede Parkinsonpatientin hat ein anderes… also nicht ein anderes Krankheitsbild, aber ein anderes symptomatisches Bild.
Ingolf: Ja.
Robert: (…) Du hast uns auch gesagt, dass du vor sechs Jahren, wann hast du die Diagnose bekommen, vor sechs Jahren?
Ingolf: Sechs Jahre sind das jetzt, ja.
Robert: Ja. (…) Wir haben es im Vorgespräch mal ganz kurz angerissen, aber was macht das mit mir beziehungsweise was macht das mit Patienten, wenn man die Diagnose als Erstes bekommt?
Ingolf: Na ja, es ist erst mal eine gewisse Unsicherheit und Angst, was in mir ausgelöst hat. Weil man ja nicht weiß, was in Zukunft auf einen drauf zukommt. Wie schreitet die Krankheit vor? Wie schnell geht das? Was kann man denn noch? Und ich sage, in den sechs Jahren merkt man doch schon, dass motorische Sachen, jetzt wie zum Beispiel was einfache Sachen, essen mit Messer und Gabel, dass man da schon mehr überlegen muss, die Gabel und das Messer zu führen. Oder Zähne putzen oder schreiben. Das Schriftbild, das verändert sich, die Schrift wird immer kleiner. Weil das sind eben solche motorischen Sachen, wo man sagt, da muss man am Ball bleiben, da muss man Wiederholungen machen, dass man eben sich das lange noch erhalten kann, das Schreiben und das Selbst-Essen und sowas.
Robert: (räuspert) Das heißt, also der Umgang mit der Krankheit geht auch so ein bisschen mit Selbstdisziplin einher?
Ingolf: Also man muss da schon selbst immer da sich selber beobachten. Und was eben das Problem auch ist, wenn man sich so konzentriert, dass man eben auch müde wird. Das ist bei unseren Älteren, die wir dabei haben, die haben das verstärkt schon, sage ich mal, die jetzt über siebzig, achtzig sind. Also für die ist das schon richtig anstrengend, mit Parkinson umzugehen.
Robert: Wie äußert sich das? Also ich vermute mal, da gibt es auch Frustmomente?
Ingolf: Na, diese Steifigkeit, (...), dass man nicht mehr so beweglich ist. Da hilft dann eigentlich nur Wärme und Bewegung, aber wenn man im Alter dann nicht mehr so laufen kann und nicht mehr sich so bewegen kann, das fällt den meisten einfach schwer. Darum sind die Gruppe, die mal neunzig Personen gewesen sind, wir sind jetzt so geschrumpft, darum sind wir jetzt nicht mehr ganz so viel.
Robert: Also ganz konkret, also wenn man nicht betroffen ist, man kann sich natürlich immer viel zusammengoogeln, ja, aber es ist immer schwer, sich so gewisse Sachen vorzustellen, weil es auch oft so... Es ist schon so ein bisschen abstrakt, man kann sich Sachen nicht vorstellen. Wenn du zum Beispiel sagst, hm, man muss sich drauf konzentrieren, dass man Messer und Gabel führt, das kann man sich natürlich versuchen vorzustellen, aber man kommt ja, wenn man nicht in der Situation ist, nie so gedanklich auch so richtig rein. Wie gehst du denn mit solchen Momenten um, wenn du zum Beispiel merkst, oh, heute ist es ganz besonders herausfordernd? Wie gehst du mit so einem aufkeimenden Frust um, beziehungsweise gibt es das bei dir überhaupt?
Ingolf: Nein, also Frust, den sollte man gleich weglassen, man sollte nur sich sozusagen immer positiv denken und immer sagen, es geht weiter, dass man eben die schönen Sachen des Lebens mehr genießt dann. Und ich sage, ich habe ja auch engen Kontakt zu einer aus der Gruppe, die ist jetzt schon über vierzig Jahre daran erkrankt. Die sagt immer: „Positiv denken, es geht immer wieder weiter.“ Und die hat immer so einen Lebensmut, den man auch nicht verlieren darf dabei.
Robert: Du hast auch vorhin gesagt, dass... Du bist ja in die Selbsthilfegruppe über deine Frau gekommen. Deine Frau hat dich drauf gebracht: „Hey, da gibt es eine Selbsthilfegruppe“, und dann, hast du gesagt, bist du auch kurz danach schon... also nicht kurz danach, sondern…
Robert: (lachend) Wieso bist du jetzt der Leiter der Gruppe? Ich mache es mal ganz, ganz plump, genau. Erzähl doch mal, wie du zum Leiter der Offenen Selbsthilfegruppe Parkinson Magdeburg wurdest?
Ingolf: Ja, ich wurde zum Leiter der Offenen Parkinsongruppe Magdeburg, indem wir eine Busreise hatten nach Bernburg zur Fachklinik, zur Waldklinik. Und da hatten wir uns eben ja auch... So themenmäßig hatte uns die Leiterin da einiges über Parkinson erzählt, was die Klinik so macht. Und da kam dann in der Pause die Leiterin von der Gruppe an mich heran und hat dann gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte, diese Gruppe zu übernehmen, weil die die über ein paar Jahre schon hatte, die Gruppe, und selber kein Parkinson hat, und ihr fehlte die Zeit. Und ich hatte die Zeit gehabt, weil ich zu der Zeit zuhause war. Und daraufhin habe ich dann Ja gesagt und habe dann die Gruppe übernommen und hatte ja noch eine Stellvertreterin, die das auch weiter gemacht hat mit mir dann, die jetzt leider ausgeschieden ist.
Robert: Und wie gestaltet sich deine Tätigkeit als Leiter?
Ingolf: Na ja, ich muss ja die Treffen erst mal organisieren, also: Wer kommt jetzt? Wir treffen uns ja wie gesagt jeden dritten Mittwoch im Offenen Treff Nordwest und da muss man ja eben, wie viel Leute kommen, wer kommt, damit man dann Angaben machen kann, damit die Bestuhlung dann da ist. Und dann organisiert man entweder Fachvortrag in einer Apotheke, eine Ernährungsberaterin oder einen Facharzt oder Malteser, dass die dann kommen wegen Notknopf. Und ja, so hat man dann seine telefonischen Gespräche zu führen dann, um das alles zu organisieren. Es muss ja auch, ich sage mal, für jede Veranstaltung was Neues da sein.
Robert: Ja. Du hast jetzt so ein paar Sachen angerissen, aber mich würde es nochmal so ein bisschen detaillierter interessieren. Was sind so Inhalte bei den Treffen? Das klingt halt so, als ob es da also so thematische ausgerichtete Veranstaltungen sind, als ob jedes Treffen quasi unter so einem Motto steht.
Ingolf: Ja, nein, thematischen sind eben das eine und das andere sind ja dann noch diese Veranstaltungen, wie jetzt Fasching. Fasching ist immer ganz große Sache gewesen, wo sich jeder dann so ein bisschen verkleiden konnte und die Gespräche sind dann lockerer am Tisch. Dann haben wir uns auch mal ein Sommerfest gemacht, wo wir dann eben mit den Angehörigen, wer eben mitkommt, dann kann man eben auch da Gespräche führen, wie das bei denen zuhause verläuft. Also da sind Gespräche unter anderem mehr dann als bei den Fachvorträgen. Und wie gesagt, Weihnachten ist immer das große Highlight, denn da sind immer sehr viele, die dann kommen. Weil dann hatten wir auch einen Chor bestellt, der da dann gesungen hatte und so, und das ist eben so... dann fühlen sich viele wieder zur Gruppe hingezogen.
Robert: Du hast eben schon den Punkt Angehörige gebracht. Und da würde mich interessieren, (…) wie so das Feedback bei euch in der Selbsthilfegruppe ist bezüglich der Angehörigen. Du hast ja gesagt im Vorfeld, dass auch Angehörige zu euch kommen. Kommen Angehörige immer begleitend zu einer parkinsonerkrankten Person dazu, oder kommen auch Angehörige losgelöst dazu?
Ingolf: Die Angehörigen sind meist immer in Begleitung, also weil es vielen schon schwer fällt, alleine loszugehen, dass sie halt lieber in Begleitung gehen. Und wozu soll der Ehemann oder die Ehefrau zuhause bleiben? Die kommen dann mit. Und ich sage mal, die führen ja auch Gespräche untereinander, wie es dem einen geht und wie es dem anderen geht und was man so machen kann. Und das sind eben so die Gespräche untereinander dann, die die einzelnen Angehörigen führen können dann, bei sowas.
Robert: Was sind denn so Herausforderungen für Angehörige, von denen du so mitbekommst? Oder welche Herausforderungen werden denn so an dich kommuniziert? Oder bleibt das so komplett im Kreis der Angehörigen, bleibt man da unter sich? Glaube ich zwar nicht, aber...
Ingolf: Manche erzählen schon so ein bisschen drüber, wie es zuhause läuft und was da für Schwierigkeiten bestehen. Und darum hatten wir eben auch vom Sanitätshaus also auch schon jemand eingeladen für Hilfsmittel jetzt, weil sie sowas vorstellen können. Weil manch einer kann das Messer nicht mehr halten und der kann das nicht mehr und das. So ‘ne Informationen kommen ja von den Angehörigen, nicht von den Parkinsonkranken selber, sondern meist von den Angehörigen, was sie so benötigen, was sie für Hilfe gebrauchen könnten, ob es was gibt, und sowas eben dann.
Robert: Kommt das eigentlich häufig vor, dass die Angehörigen vielleicht im ersten Moment schwerer mit der Erkrankung zu kämpfen haben als der Patient selbst? Also zumindest seelisch?
Ingolf: Ja, es ist schon für manche schwer. Weil bei manchen ist auch schon dann die Demenz dazugekommen und das ist dann schon immer sehr schwierig dann, Parkinson und Demenz. Und dann bei manchen war es eben so gewesen, dass sie dann ins Heim mussten, und das ist ja dann wirklich schon schwer für die Angehörigen, wenn er seinen Nächsten sozusagen ins Heim abgeben muss, weil er es zuhause nicht mehr schafft von der körperlichen und psychischen Belastung.
Robert: (…) (lacht) Ja. Ich habe gelesen, dass Parkinson eigentlich so eher ab so Altersklasse fünfzig plus auftritt, aber es gibt auch Parkinsonerkrankungen...
Ingolf: Junge Parkinsonerkrankte.
Robert: Genau, nennt sich im Fachlichen wohl „Juvenile Parkinson“, frühes Parkinson ist wohl der Fachbegriff dafür. Hast du mit dem Thema schon Berührungspunkte gehabt?
Ingolf: Bis jetzt hatte ich damit noch keine. Ich habe es gelesen und gehört von Mitgliedern, aber Berührungspunkte selber in der Sache habe ich noch keine gehabt. Also ich bin sozusagen auch mit der Jüngste so in dieser Gruppe. Aber in der Corona-Zeit haben sich jetzt auch viele gemeldet telefonisch jetzt über die KOBES, weil wir über die KOBES ja viel Kontakt haben...
Robert: Über die „KOBES“?
Ingolf: KOBES heißt hier von der Caritas, die die Selbsthilfegruppen organisieren. Und da den Gesundheitstag, das ist ja der dritte Oktober, ja, dritter Oktober ist das, da haben sie ja dann immer die Johanniskirche, wo sich dann die Selbsthilfegruppen dann aufstellen können und dann sich zeigen können in Öffentlichkeit jetzt hier, was sie so machen.
Robert: Nochmal ein kurzer Servicehinweis an der Stelle: Genau solche Termine und Daten und Anlaufstellen findet ihr unter anderem in den Shownotes. So, jetzt geht es aber weiter. (…) So eine ganz essentielle Frage, und zwar, als ich die Sendung vorbereitet habe, habe ich mir so eine ganz einfache Frage gestellt, also an mich selbst: Wenn ich jetzt die Diagnose bekäme, Parkinson, was mache ich als erstes? Was macht ein Betroffener, was macht eine Betroffene, wenn sie vom Arzt die Diagnose bekommt? Was ist so der erste Schritt?
Ingolf: Na, der erste Schritt war bei mir auch gewesen erst mal Ruhe, erst mal sich sammeln, ordnen. Was ist das, Parkinson? Belesen. Dann wird man schon feststellen beim Lesen oder was, es gibt verschiedene Formen von Parkinson. Und dann die Form, die man dann selber hat, dass man dann damit versucht, dann umzugehen, dass man beim nächsten Arztgespräch nochmal den Arzt fragt, was für Möglichkeiten sind, was kann ich machen. Es gibt ja dann diese Rezepte, die für Daueranwendung sind. Und dass man dann auf diesem Weg dann sich den Kontakt auch zu den Selbsthilfegruppen oder Parkinson-Vereinigungen, im Netz findet man ja einige Sachen, wo man sich dran wenden könnte.
Robert: Ja. Nun stelle ich mir vor, ich habe jetzt den Vorteil, ich kann direkt mit dir sprechen, und die Menschen in der Selbsthilfegruppe, die haben quasi einmal im Monat die Gelegenheit...
Ingolf: Ja, die haben ja auch telefonisch... Telefonisch können die mich immer erreichen.
Robert: Ja, ich wollte grad’ nachfragen. Da hast du mir quasi schon die Antwort gegeben auf die Frage (lacht), die ich noch nicht gestellt habe. Die Menschen erreichen dich eben auch/… Also du hast natürlich keine Öffnungszeiten, aber wenn jemand ein Problem hat, dann ruft er dich einfach zu den öffentlichen… (lacht) pardon, zu den üblichen Zeiten an.
Ingolf: Ja, diese Möglichkeit besteht. Das ist ja auch, wenn Neue, die können mich auch anrufen, weil Telefonnummer steht ja da. Und dann entweder sprechen sie auf den Anrufbeantworter, dann rufe ich eben zurück, oder melden sich per E-Mail. Und dann bekommen sie dann eine Rückantwort.
Robert: Die Kontaktdaten finden die Zuhörerinnen natürlich auch in den Shownotes. (...) Da muss ich kurz einhaken, weil ich das ganz spannend fand. Ich habe dich im Vorgespräch beziehungsweise in den Fragebogen, den wir vorab immer wegschicken mit so ein paar Basisdaten, gefragt, ob moderne Kommunikationswege irgendwie ein Thema sind. Und das war ganz charmant, weil du dann geschrieben hast: „In der Gruppe sind Betroffene und Angehörige. Ein Großteil der Gruppe ist schon über siebzig und daher nur telefonisch erreichbar.“ Ist das jetzt so mit Corona kommend auch ein Thema, dass man sich vielleicht für andere Medienwege öffnet, also sagen wir mal WhatsApp et cetera?
Ingolf: Ja, da ist ja das Problem, diese technisch zu beherrschen. Und die möchten auch gar nicht mehr was Neues dann haben. Also Telefongespräche, also da können sie erzählen, und ich sage ja nicht, dass das nach einer Viertelstunde das Gespräch vorbei ist; wir können so lange telefonieren, wie eben die Zeit in Anspruch nimmt.
Robert: Ja. Was gibt dir das?
Ingolf: Dass ich helfen kann. Also dadurch, dass ich eben viele Informationen habe durch die Mitglieder und durch Fachzeitschriften und sowas und dem Parkour Magazin, was wir bekommen, und da kann man dann schon vieles herauslesen und den Mitgliedern da Tipps noch geben.
Robert: Gibt es denn Momente, also wo die Selbsthilfearbeit für dich zu viel wird?
Ingolf: Also im Moment ist das noch nicht so, aber das könnte vielleicht schon sein, wenn man älter wird. Aber ich habe ja noch eine Stellvertreterin, die auch die Buchhaltung macht, und wir stehen ja auch im regen Austausch. Also darum, ich mache es gerne. Ich habe die Zeit und ich mache es gerne. Und wie gesagt, dieses Gefühl, dass man jemandem helfen kann oder was, das hilft ja auch dem Parkinson auch wieder.
Robert: Ja. Ja, noch was Spannendes, und zwar: Als ich mich auf die Sendung vorbereitet habe, habe ich gelesen, dass... Oder anders, pass auf, ich zitiere es mal. Stichwort Forschung: „Die Universität Lübeck vermeldete am 18. Oktober 2021 einen Forschungserfolg. Durch gezielte Manipulation des Fettes Ceramid solle der Fettstoffwechsel von Betroffenen optimiert werden. Eine Senkung des Ceramidspiegels im Körper könne zu einer Therapiemaßnahme werden.“ Jetzt meine erste Frage: Hast du davon auch was gehört?
Ingolf: Nein. Aber ich glaube, diese Klinik war auch gestern im Gespräch gewesen, gestern bei „Visite“, und da war von der Visite, dass sie über Darmbakterien, sozusagen dass die Parkinson-Krankheit und der Darm und eine gewisse Verbindung haben mit der Ernährung, also über der Ernährung, dass da mit dem Parkinson sich da was verbessern kann.
Robert: Ja. Das fand ich nämlich auch thematisch ganz spannend, aber dann ist mir halt im gleichen Atemzug durch den Kopf geschossen: Löst sowas Hoffnung aus, beziehungsweise wie geht man denn als Betroffener mit solcher Hoffnung um? Weil, ich kann mir vorstellen, dass es auch unfassbar deprimierend sein kann, wenn man so seine Hoffnung auf solche Sachen legt und daraus womöglich gar nichts wird.
Ingolf: Ja, ich sage mal dadurch, dass jeder seinen eigenen Parkinson hat, ist es auch schwierig, für den Einzelnen in Gruppen jetzt eine Lösung zu finden. Und darum sind sie ja mit der Forschung immer am Ball, aber ich sage mal dafür, das richtige Medikament zu finden, das wird sehr schwierig sein. Und ich sage mal, Hoffnung darf man nie aufgeben, davon abgesehen. Aber man muss selber für sich eben versuchen, das Beste draus zu machen, unter anderem wie ich es eben auch selber mache mit der Ernährung. Wir bauen im Garten fast nur alles selber an zum Essen und dadurch bin ich der Meinung, dass es mir sozusagen noch so gut geht, weil wir eben aus dem Garten leben.
Robert: (schmunzelt) Bist du passionierter Gärtner, Ingolf?
Ingolf: So ungefähr.
Robert: Und das heißt, ihr ernährt euch auch bewusst gesund, auch wegen der Erkrankung?
Ingolf: Mitunter.
Robert: Was geht in diesem Jahr gut, was geht nicht gut im Garten?
Ingolf: Fängt jetzt erst an. Der Spinat, der guckt schon. (schmunzelt)
Robert: So! Sehr gut. (…)
Robert: (…) Wie (räuspert)… Wie ist denn deine Frau mit der Diagnose damals umgegangen?
Ingolf: Tja, wie ist sie damit umgegangen? Die hat erst mal mir alle möglichen Internetseiten aufgemacht, wo ich was lesen sollte, wo ich erst mal für mich entscheiden wollte, was habe ich, wo ich erst mal in Ruhe verfallen bin, dass ich erst mal weiß, was ist das. Dann habe ich erst mal angefangen zu lesen. Also sie ist sehr besorgt um mich, sage ich mal so. Die versucht auch eher wie gesagt ja mit Säften und das, was ich vorher alles nicht so getrunken habe und nicht so, ich sage mal, diese Bio-Schiene nicht ganz so hatte, also da hat sie mich schon ein bisschen mehr zu gebracht jetzt in der Sache dann, dass es auch gut ist für mich, dass ich dann so mediterran auch esse dann.
Robert: Erlebst du so eine... (schunzelt) Also nicht, dass es nachher Zank zuhause gibt, aber belastet einen als Parkinsonpatient so eine Überfürsorge? Also trägt das manchmal noch zu einem Mehr an Frust bei?
Ingolf: Ich sage mal, man nimmt es gerne an manches, diese Hilfestellungen und so. Weil es geht dann alles nicht mehr so fließend von der Hand, sage ich mal so. Man hilft zwar gerne bei der Essenszubereitung mit zu, aber es dauert eben alles ein bisschen länger, weil es eben anstrengend auch ist für einen. Und das ist eben so und das weiß sie und dann nimmt das selber auch in die Hand dann manches. Dann sagt sie: „Setz dich mal hin, mach mal eine Pause.“
Robert: Apropos was in der Hand: Ingolf, du hast erzählt, du arbeitest jetzt wieder. Du warst ja früher Ausbaufacharbeiter, dann Maurermeister, und was machst du jetzt aktuell?
Ingolf: Jetzt aktuell mache ich hier bei der Hausmeisterfirma so kleine Reparaturen und Treppenhausreinigung und sowas. Aber meistens sind es Sonderaufträge dann eben, wo wir dann eben so Reparaturen und sowas machen. Weil mein Feld von Reparaturen ist sehr groß, weil ich... Durch den Ausbaufacharbeiter und die jahrelange Erfahrung als Betriebshandwerker hat man eben sehr viel angenommen, was man eben machen kann. Also ich meine, ich finde auch immer eine Lösung. Also das ist so der typische DDR-Bürger so ein bisschen noch drinne dann, der aus, wie sagte man damals, ja aus Scheiße Bonbons macht dann.
Robert: (lacht) Beeinträchtigt dich die Erkrankung im beruflichen Alltag?
Ingolf: Ja, die Beweglichkeit, die ist nicht da, die Steifigkeit. Und ich sage, ich habe einen Kollegen an der Hand und der weiß darüber Bescheid und der ist da sozusagen auch so fürsorglich wie meine Frau eigentlich, wo ich dann sage: „Das schaffe ich schon.“
Robert: Och Gott, das klingt gut. Ich kann mir vorstellen, dass deine berufliche Erfahrung auch Vorteile hatte, als du die Leitung der Parkinson-Gruppe übernommen hast. Inwiefern hast du da irgendwie von deinem beruflichen Vorleben schon profitiert?
Ingolf: Ja, im beruflichen Leben habe ich ja auch schon Verantwortung übernehmen muss, da hatte ich auch schon kleine Gruppen zu leiten gehabt, dann eben auf den Baustellen zu koordinieren, zu planen und viel zu telefonieren. Und ich sage mal, das lag mir schon irgendwo, dass ich das auch machen könnte, dann diese Aufgabe zu übernehmen in der Parkinson-Gruppe, für die Mitglieder eben was auf die Beine zu stellen, dass sie sozusagen nicht jetzt leer dastehen. Weil so ein Mittwoch, der ist mal schnell wieder ran, und dann muss man schon was organisiert haben, wer da zu Besuch kommt.
Robert: (lacht) Finde ich gut. Okay! Dann war das für mich ein sehr schönes, rundes Gespräch. Dann hätte ich abschließend noch eine Bitte, Ingolf: Beschreib doch bitte Selbsthilfearbeit in einem Wort. Was bedeutet für dich Selbsthilfearbeit – in einem Wort?
Ingolf: Selbsthilfe in einem Wort. (…) Hilfe. Hilfe für den Angehörigen oder Hilfe für die Betroffenen.
Robert: (…) Alles klar, finde ich gut. Dann erst mal vielen Dank dafür, dass du dir die Zeit genommen hast, und weiterhin gute Gespräche!
Ingolf: Ja, danke! Wünsche ich ebenfalls.
Robert: Danke schön. So. Das war die zweite Episode „ausgesprochen menschlich – Selbsthilfe auf Sendung“. Nochmal der Hinweis, ihr findet alle Informationen zur aktuellen Episode und zur Sendung im Allgemeinen in den Shownotes. Ich verabschiede mich und hoffe, ihr bleibt gesund. Tschüss! #00:27:36-0#
Robert: Credits
Robert:
Robert: „ausgesprochen menschlich - Selbsthilfe auf Sendung“ ist ein Podcast der AOK Sachsen-Anhalt. Redaktion und Moderation übernehme ich, Robert Gryczke. Redaktionelle Unterstützung und Koordination liefert Gerriet Schröder von der AOK. Technische Umsetzung und Schnitt leistet Axel Fichtmüller.
Robert:
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